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Suter, Martin

Suter, Martin

Titel: Suter, Martin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allmen und die Libellen
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Denn diese Tätigkeit beschränkte er konsequent auf
die weitere Umgebung seiner Stadt.
    Allmen packte die Vase aus und stellte sie auf den Tisch.
    Jack Tanner nahm sie in die Hand, begutachtete sie und
sagte: »Zweitausend.«
    Tanners Preisangebote waren immer endgültig. Nur selten
raffte sich Allmen zu einem schwachen Einwand auf. Er wusste, dass er damit nur
ein Schulterzucken erntete.
    Es blieb ihm auch nichts anderes übrig, als Tanners
Preise zu akzeptieren, er war sein einziger Abnehmer. Es musste ihm klar sein,
dass Allmens Ware längst nicht mehr nur aus dessen Sammlung stammte. Aber er
fragte nie nach deren Herkunft. Und noch nie hatte Allmen eines seiner Objekte
in der Auslage oder Ausstellung von Les Trouvailles gesehen.
    Tanner musste Kunden an der Hand haben, die ebenfalls sehr
diskret waren und nicht nach der Herkunft fragten.
    Allmen nickte, nahm das Geld entgegen und verabschiedete
sich, bis zum nächsten Mal.
     
    Das schmiedeeiserne Tor zu seinem Haus war frisch
lackiert. Hochglänzendes Schwarz mit Gold für die Spitzen der Staketen, die
sich beidseits der Torpfosten an der Buchshecke entlang fortsetzten. Allmen
fand, es wirke etwas neureich, aber es sah besser aus als der Rost von früher.
    Am rechten Pfeiler waren zwei Messingschilder angebracht,
ein großes und ein kleines. Auf dem großen stand » k,c,l&d Treuhand«, auf dem kleinen »j.f.v.a.«.
    Im linken Pfeiler war, ebenfalls aus poliertem Messing,
eine Gegensprechanlage eingelassen mit zwei Klingelknöpfen. Der obere war mit » k,
c, l&d «, der untere mit »J. f.v.a .«
beschriftet.
    Allmen drückte auf den unteren.
    Nach ein paar Sekunden fragte eine misstrauische
Männerstimme:
    »Ja?«
    »Soy yo«, antwortete Allmen, »ich bin's.«
    Der Türöffner summte, Allmen betrat den Plattenweg, der
zur verzierten Eichentür der Villa führte. Auf etwa halbem Weg verschwand er
hinter einem sorgfältig manikürten Buchs.
    Er war in einen Weg eingebogen, der um die Villa herum in
den parkähnlichen Garten führte. Ein gepflegter Rasen, da und dort gesäumt oder
durchsetzt von Moorbeeten mit tiefgrünen Rhododendren und schon herbstlich
gefärbten Azaleen. Alles feierlich bewacht von altem Baumbestand aus Riesentannen,
Zedern, Platanen und Magnolien.
    Dort, im Dauerschatten der Parkbäume, stand ein kleines
Gärtnerhaus, an dessen Westfassade sich ein Treibhaus anschloss.
    Die Haustür stand offen, im engen Vestibül wurde Allmen
von einem kleinen Mann erwartet. Er hatte glattes, sorgfältig gescheiteltes
blauschwarzes Haar und die Gesichtszüge eines Mayas. Er trug ein weißes Kellner
Jackett zu einem weißen Hemd, eine schwarze Hose und einen schwarzen Schlips.
Allmen begrüßte ihn auf Spanisch.
    »Hola, Carlos.«
    »Muy buenas tardes, Don John«, antwortete
Carlos, nahm ihm den nassen Mantel ab, hängte ihn an einen Bügel und ging
damit zu einer Tür unter der steilen Holztreppe, die zu den Mansarden führte.
Ihre Schwelle lag zwei Treppenstufen tiefer als die Diele.
    Dahinter lag ein Raum, der früher als Waschküche für die
Villa gedient hatte und entsprechend überdimensioniert war. Jetzt standen darin
eine Waschmaschine und ein Trockner, ein paar Wäscheleinen waren gespannt. Der
größte Teil des Raumes war von Kisten und Möbelstücken besetzt, die sich bis
unter die Decke stapelten. Hier lagerte Allmen diejenigen Stücke aus seinem
früheren Leben, die entweder unentbehrlich oder unverkäuflich waren.
    An eine dieser Leinen hängte Carlos den Regenmantel und
kam zurück in das kleine Vestibül. Allmen stand dort vor der Konsole, über der
ein vergoldeter Garderobenspiegel hing. Ein Brief lag dort, was ungewöhnlich
war, denn seine Post war normalerweise an sein Postfach adressiert. Es war ihm
lieber, seine Gläubiger wussten nicht, wo er wohnte.
    Er steckte den Umschlag ein. Er wollte ihn später lesen.
    Aus der offenen Küchentür drangen die Dünste des
Mittagessens, das Carlos auf kleinstem Feuer warm hielt. Allmen kannte den
Geruch: Carlos' Heimwehessen. Schwarze Bohnen, frijoles. Dazu würde
es guacamole geben - eine mit Zwiebeln, Chili,
Zitrone und frischem Koriander gewürzte Avocadopaste -, gebratene
Hackplätzchen, tortitas de carne, und
Maisfladen, tortillas.
    Es war nicht Allmens Lieblingsessen, aber er durfte sich
nicht beklagen. Dafür hatte er Carlos schon zu lange kein Haushaltsgeld mehr
gegeben.
    Sie betraten den einzigen Raum des Häuschens, der Allmens
Ansprüchen einigermaßen gerecht wurde: die Bibliothek. Sie

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