Suzanna
kleinen Colleen, war er am härtesten gewesen. Aus Angst vor einer körperlichen Züchtigung hatte Bianca die Kinder mit dem Hund zu der Nanny nach oben geschickt. Ein bitterer Streit war gefolgt. In seinem Zorn hatte Fergus Bianca bedroht und misshandelt. Erst da sah ich im Schein der Lampe die Druckmale an ihrem Hals.
Ich hätte ihn umgebracht, doch ihr Entsetzen hielt mich auf. Nie zuvor in meinem Leben hatte ich solchen Zorn gehabt. Manchmal wünsche ich mir, ich wäre hingegangen und hätte ihn getötet. Vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Aber ich werde es nie mit Sicherheit wissen.
Sie erzählte mir weinend, dass er nach Boston gefahren war und bei seiner Rückkehr eine Gouvernante seiner Wahl mitbringen wollte. Er hatte ihr vorgeworfen, eine schlechte Mutter zu sein, und wollte ihr die Sorge für die Kinder entziehen.
Hätte er gedroht, ihr das Herz herauszuschneiden, hätte er keinen größeren Schaden anrichten können. Sie wollte nicht zusehen, wie ihre Kinder von einer bezahlten Angestellten erzogen und von einem kalten, ehrgeizigen Vater überwacht wurden. Am meisten fürchtete sie für ihre Tochter, weil sie wusste, dass Colleen eines Tages in eine Ehe gedrängt werden würde – genau wie es ihr selbst ergangen war.
Diese große Angst löste ihre Entscheidung aus, Fergus zu verlassen.
Sie kannte die Risiken, doch das ließ sie nicht schwanken. Sie wollte ihre Kinder in Sicherheit bringen. Sie wollte, dass ich mitging, doch sie bat mich nicht und berief sich nicht auf unsere Liebe.
Das brauchte sie auch nicht zu tun.
Ich wollte am nächsten Tag die nötigen Arrangements treffen, und sie wollte die Kinder vorbereiten. Dann bat sie mich, sie zu der meinen zu machen.
Ich hatte sie schon so lange begehrt, doch ich hatte mir vorgenommen, sie nicht zu erobern. In jener Nacht brach ich mein Versprechen und machte ein neues. Ich wollte sie ewig lieben.
Ich erinnere mich daran, wie sie aussah mit ihrem offenen Haar und ihren dunklen Augen. Bevor ich sie berührte, wusste ich, wie sie sich anfühlen würde. Bevor ich sie in mein Bett legte, wusste ich, wie sie dort aussehen würde. Jetzt ist es nur noch ein Traum, die süßeste Erinnerung meines Lebens.
In jener zeitlosen Stunde hatte ich alles, was ein Mann sich wünschen kann. Bianca war Schönheit und Liebe und Versprechen, verführerisch und unschuldig, scheu und lustvoll. Selbst jetzt schmecke ich noch ihren Mund, ihre Haut. Und sehne mich schmerzhaft nach ihr.
Dann war sie fort. Was ich für einen Anfang hielt, war das Ende.
Ich nahm mein Geld, verkaufte Gemälde und kaufte vier Karten für den Abendzug. Doch sie kam nicht. Ein Gewitter braute sich zusammen. Grelle Blitze, bösartiger Donner, schwerer Sturm. Ich redete mir ein, es wäre das Wetter, das mein Blut gefrieren ließ. Doch Gott helfe mir, ich glaube, ich wusste Bescheid. Ein scharfer, entsetzlicher Schmerz und eine so unvernünftige Furcht verzehrten mich.
Zum ersten und zum letzten Mal ging ich nach The Towers. Der Regen hatte zu strömen begonnen, als ich ans Tor klopfte. Die Frau, die mir öffnete, war hysterisch. Ich hätte mich an ihr vorbeigedrängt, doch in diesem Moment traf die Polizei ein.
Bianca war vom Turm gesprungen, hatte sich aus dem Fenster auf die Felsen gestürzt. Dies alles ist jetzt unklar, war es auch damals schon. Ich erinnere mich, dass ich lief und durch den heulenden Sturm nach ihr rief. Die Lichter des Hauses leuchteten grell durch die Dunkelheit. Männer kletterten bereits den Abhang mit Laternen hinunter. Ich stand da und blickte auf Bianca. Meine Geliebte, mir entrissen. Doch nicht durch ihre eigene Hand. Das konnte ich niemals akzeptieren. Und dennoch war sie fort, verloren.
Ich wäre am liebsten selbst in die Tiefe gesprungen, doch Bianca hielt mich zurück. Ich schwöre, ihre Stimme hielt mich zurück. Ich setzte mich auf die Erde, und der Regen strömte auf mich herab.
Damals konnte ich ihr nicht folgen. Ich musste irgendwie mein Leben ohne sie weiterführen. Das habe ich auch getan, und vielleicht ist etwas Gutes aus der Zeit erwachsen, die ich hier verbracht habe. Der Junge, mein Enkel. Wie hätte Bianca ihn geliebt. Manchmal führe ich ihn zu den Klippen, und ich bin sicher, sie ist dann bei uns.
Es gibt noch immer Calhouns in The Towers. Bianca hätte das gewollt. Die Kinder ihrer Kinder und deren Kinder. Vielleicht wird eines Tages eine andere einsame junge Frau an diesen Klippen entlangwandern. Ich hoffe, ihr Schicksal wird
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