Svantevit - historischer Roman (German Edition)
in letzter Zeit ab und an heimlich eine Reuse ausräumt, aber den Spitzbuben werde ich bald kriegen und ihm großzügig verzeihen, nachdem ich ihm die Ohren abgerissen habe."
"Ganz so einfach ist es für die Fürsten natürlich nicht. Den Sachsenherzog am Ohr zu packen, wäre ziemlich leichtsinnig, was auch für den dänischen König gilt. So hat Tetzlaw es nun darauf abgesehen, dass sich diese beiden mächtigen Feinde gegenseitig zwicken."
"Ich sah einmal zwei Möwen, die sich um einen Fisch stritten", sagte die Mutter, "Und während sie noch zankten, entschwand die sicher geglaubte Mahlzeit wieder ins Wasser."
"Sind wir nicht mehr als ein stinkiger Fisch?", empörte sich der Vater.
"Redest du so von deinen geliebten Heringen?"
"Noch haben sich die Sachsen und die Dänen nicht in die Haare bekommen. Aber sie misstrauen einander und beäugen sich argwöhnisch. Mein Freund Granza, dessen Vater Litog ein wichtiger Mann am Fürstenhof ist, erzählte mir gerade neulich wieder davon", berichtete Radik, "Der sächsische Herzog Heinrich hat mit seinen Truppen die Gegend um Wolgast erobert und diese der Verwaltung der Pommern unterstellt, welche ihm jetzt treu ergeben sind. Das passte den Dänen nicht und sie verlangten, einen Teil davon an uns abzutreten, in dem Bewusstsein, dass wir ihre willfährigen Lehnsknechte sind. Daraufhin ließ Heinrich heimlich bei den Fürsten in Garz vorsprechen und bat darum, das Ansinnen der Dänen abzulehnen, hatte er doch bereits den Pommern entsprechende Zusagen gemacht."
"Sollen sich die anderen doch die Köpfe einschlagen, solange wir unseren Vorteil daraus ziehen können."
"Aber genau da liegt das Problem. Dänen und Sachsen gehen einem offenen Streit aus dem Weg und agieren im Hintergrund mit List und Tücke. So musste auch ein allzu rascher Rückzug unserer Fürsten aus dem Wolgaster Gebiet vermieden werden, da die Dänen sonst sofort des Löwen Handschrift erkannt hätten. Also kam man zunächst den dänischen Wünschen nach und übernahm die Verwaltung. Doch bald schon beschwerten sich Fürsten über diese schwere Aufgabe, die ihnen nur Kosten verursachte und sie am Ende ganz ruinieren würde. Die Wolgaster seien ein wahres Diebespack, das alles stehle, was nicht scharf bewacht werde. An einigen Tagen habe man sogar nichts zu essen, da die Vorräte unablässig geplündert würden."
"Sonst sind unsere Fürsten doch nicht so zimperlich und wissen mit Gesindel sehr wohl fertig zu werden", wandte der Vater ein.
"Ja, wenn sie nur wollen. So aber bettelten sie fast, den Pommern ihren Teil an Wolgast abtreten zu dürfen, da sich dann ohnehin gleich zu gleich gesellen würde. Die Dänen, die selbst nicht den Aufwand einer eigenen Verwaltung auf sich nehmen wollten oder konnten, stimmten schließlich zähneknirschend zu."
"Meinst du nicht, sie haben den Braten gerochen?"
"Wer weiß das schon?"
"Dann ist das ja ein richtiges Geheimnis, was du hier so munter ausplauderst", bemerkte der Vater, "Solltest du nicht etwas vorsichtiger sein?"
"Oh ja", Radik stieß sich vor den Kopf, "Ich habe natürlich vergessen, euch dringend darum zu bitten, über all dies Stillschweigen zu bewahren, wenn ihr mal wieder am dänischen Hofe weilt!"
"Keine Sorge! Mit dem dänischen König spreche für gewöhnlich nur über das Fischen. Wie hieß er noch gleich?"
"Waldemar."
"Ach ja. Waldemar. Eigentlich auch ein schöner Name für einen Jungen. Es wird doch wohl ein Junge?"
Die Schreie aus dem Haus hatten Radik schon verzweifeln lassen, doch jetzt, wo plötzlich völlige Stille herrschte, schien es ihm erst recht den Verstand zu rauben. Und es gab nichts, was er tun konnte.
Die Frauen, die mitten in der Nacht herbeigerufen worden waren, als sich die Niederkunft plötzlich angekündigt hatte, wussten sicher am besten, wie hier zu helfen war. Doch dieser Gedanke wollte Radik nicht beruhigen.
"Das Kind ist tot", raunte ihm schließlich ein verschwitztes Weib zu, das aus der Tür getreten war und nun zum Brunnen lief, um frisches Wasser zu holen, "Es hat nur einen Atemzug getan."
Die Eile der Frau und Sorge auf ihrem Gesicht konnten wohl kaum einem toten Säugling gelten, dem nicht mehr zu helfen war.
"Was ist mit Zasara?", fragte Radik verzweifelt.
"Wart es ab, Junge, wart es ab!"
Schon war die Tür wieder geschlossen und die pochenden Schläge in seinem Kopf waren die einzigen für ihn wahrnehmbaren Töne inmitten erneuter gespenstischer Ruhe.
Seine Gedanken versuchten, das Geschehene zu
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