Svantevit - historischer Roman (German Edition)
plötzlich an Gedächtnisschwund und tauben Ohren, was der Däne nur durch Zusage eines beachtlichen Anteils an der Beute kurieren konnte. Als der Bischof wieder abreisen wollte, bemerkte man, dass einem seiner Gefolgsmänner mitten in der Burg das Pferd gestohlen worden war.
Trauer und Hoffen
"Die Burschen haben dieses Jahr verdammt lange auf sich warten lassen. Doch das hat sich gelohnt. Seht nur wie groß und fett sie sind."
Man saß um einen langen Holztisch im Freien und genoss das schöne Wetter, das ungestörte Beieinandersein. Der Vater stellte eine schwere Schüssel mit gebratenen Heringen auf den Tisch, in die Radiks Schwester sogleich mit flinken Fingern hineinlangte.
"Au! Sind die heiß!", kreischte sie schmerzvoll und pustete auf ihre Hand.
"Ja, gerade vom Feuer genommen. Frischer geht es nicht!" bestätigte der Vater.
"Wie oft musst du dir eigentlich noch die Finger verbrennen, bis du endlich lernst, in Ruhe abzuwarten?" fragte die Mutter.
"Das lernt sie nie!", sagte Radik, der sich jetzt einen Hering angelte, dabei aber geschickter vorging, als sein Schwesterchen, "Geduld ist immerhin eine Tugend und davon ist bei ihr nichts zu spüren."
"Tu´ bloß nicht so gelehrt", meinte die Schwester und entwendete blitzschnell den Hering von Radiks Brett, "Wer zuviel nachdenkt, geht am Ende leer aus, wusstest du das nicht?"
"Na, warte. Wir wollen doch mal sehen …"
"Nichts wollen wir sehen", sagte der Vater, "Nichts, außer brav essende Menschen."
"Wie alt seid ihr eigentlich?", fragte die Mutter, "Eurem Benehmen nach könnte man euch für Kleinkinder halten."
"Aber ich bin ein braver Fischeesser", meldete sich Bosad zu Wort, Radiks jüngster Bruder, der jetzt acht Jahre alt war.
Die anderen lachten, während Bosad beherzt in einen Hering biss.
"Na ja", seufzte die Mutter, "Du hast vorhin so wild getobt, dass du jetzt wohl nur etwas zu erschöpft bist, um Unfug zu machen."
Bosad rollte mit den Augen, aber nicht wegen der Worte der Mutter, sondern weil in seinem Mund einige Gräten piekten.
"Na du tapferer Fischesser, bist du etwa plötzlich schon satt?", frotzelte Radik sogleich, woraufhin Bosad nickte und hinter einen Busch lief.
"Ich glaube, da verschmäht jemand deinen guten fetten Brathering", sagte Rusawa zum Vater.
"Umso mehr bleibt für euch über", antwortete dieser und reichte zwei Fische zu seiner Tochter und zwei weitere zu Zasara herüber, die neben Radik saß. "Du musst doch nun doppelt essen!"
"Halt, halt", wandte Zasara entschieden ein, "oder willst du auch mich unbedingt hinter den nächsten Busch treiben?"
"Ich mag noch, aber nur noch einen", sagte Rusawa.
"Was seid ihr mir nur für eine seltsame Sippschaft? Meinen Appetit scheint wohl niemand von euch geerbt zu haben."
"Zum Glück", meinte die Mutter, "sonst wären wir in manchem strengen Winter wohl verhungert."
"Was ich verspeise, hole ich auch rein!", beharrte der Vater, "Es bleibt zu wünschen, dass manch einer der Anwesenden seine Nachkommen genauso gut versorgen wird."
Radik streichelte Zasara sanft über den gewölbten Bauch.
"Da mach dir mal keine Sorgen."
"Ja, ja. Ein Haus hast du gebaut und ein Pferd nennst du dein Eigen. Bist ein geachteter Soldat, was ich nicht genug loben kann. Aber glaub mir, ein Kind großzuziehen ist doch noch etwas anderes", sinnierte der Vater mit vollem Mund.
"Wohl dem, der ein tüchtiges Weib an seiner Seite weiß", fügte die Mutter hinzu.
"Ach da du gerade davon sprichst. Ob du deine Tüchtigkeit wohl dadurch beweisen kannst, dass du uns etwas Gutes zu trinken herbeischaffst?"
"Hier steht doch eine Kanne Wasser auf dem Tisch", gab sich die Mutter ahnungslos.
"Oh nein!", schüttelte der Vater entschieden den Kopf, "Ein wahrhaft durstiger Mann, noch dazu ein solcher, der wichtige Dinge zu besprechen hat, braucht schon etwas stärkere Getränke. Das Wasser würde am Ende gar die Heringe in meinem Magen wieder zum Leben erwecken. Also sei so gut und schau, was du für uns tun kannst."
"Wie also ist es nun um uns bestellt?", fragte der Vater Radik, "Haben wir endgültig Frieden mit unseren Feinden geschlossen oder belauert man uns hungrig? Oder haben wir uns am Ende gar schon gänzlich unterworfen?"
"Du meinst unser Verhältnis zu den Sachsen und den Dänen?", fragte Radik, der sich nicht ganz sicher war.
"Ja, natürlich, die meine ich und alle, die da noch etwas gegen uns aushecken könnten. Ich persönlich habe ja keine Feinde", antwortete er, "Obwohl mir da jemand
Weitere Kostenlose Bücher