Svantevit - historischer Roman (German Edition)
packen konnte. Er setzte sich auf das verbliebene Pferd und eilte zu der Stelle, an der Christian, wie er jetzt zu wissen glaubte, von nur noch einem Feind bedroht wurde.
Als er ankam, ließ er die beiden Braunen am Waldrand zurück und pirschte sich, teils robbend, teils in kurzen Sprüngen, zu dem Kieferngehölz herüber, von dem aus sie vorhin belauert worden waren. Nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit des Unterholzes gewöhnt hatten, blickte er sich um, konnte aber, obwohl er das ganze Wäldchen übersah, nichts Verdächtiges entdecken. Doch dann stockte ihm der Atem, von dem Ort, an dem sich ihre Feuerstelle befand, drangen menschliche Laute an sein Ohr. Er konnte zwar keine einzelnen Wörter unterscheiden, oder gar etwas verstehen, dafür war es einfach zu weit weg, aber irgendwelche Leute unterhielten sich dort und er musste herausfinden, was mit Christian geschehen war. Vorsichtig schlich er weiter. Als er schon fast so weit war, dass er aus dem Wald herausspähen konnte, fiel ihn plötzlich jemand aus dem Dickicht an. Er spürte nur kurz den massigen Körper, der sich von hinten auf ihn stürzte, denn halb vor Schreck und halb aus dem Reflex heraus, sich dann besser verteidigen zu können, sprang er mit einem riesigen Satz zwischen den Bäumen hervor in die offene Graslandschaft. Er wollte sich zu dem Angreifer umdrehen, erstarrte aber mitten in der Bewegung. Neben ihm standen bereits zwei Männer mit gezogenen Waffen.
Der Angreifer hatte die ganze Wucht des Anlaufs hineingelegt und der Schild, den Christian ihm entgegen hielt, knallte ihm von dem Streich an den Kopf. Christian ließ vor Schreck und Schmerz den Griff des Schwertes los und hielt den Schild jetzt mit beiden Händen. Er ging einen Schritt zurück und musste schon den nächsten Schlag abfangen, der zu seinem Glück bei weitem nicht so heftig war, wie der vorangegangene. Die Lage schien ausweglos. Christians einzige Chance, den ungleichen Kampf zu beenden lag darin, seinen Gegner selbst mit einem Angriff zu überraschen. Damit würde der sicherlich nicht rechnen, wähnte er seinen Kontrahenten doch fast wehrlos. Christian linste vorsichtig an seinem Schild vorbei und sah auch schon den nächsten Hieb kommen, den er abwehrte. Er ging nach wie vor langsam, Schritt für Schritt, rückwärts, das Messer aus seinem Gurt hielt er inzwischen in der Rechten. Es war zwar keine ebenbürtige Waffe im offenen Kampf, aber, wenn er seinen Widersacher genau in dem Moment, in dem er einen Schlag desselben abgewehrt hatte, plötzlich angehen sollte, hätte er bei einem Gerangel die besseren Karten. Die Hiebwaffe war im Nahkampf, im Handgemenge, seinem Dolch unterlegen. Er musste aber unglaublich schnell sein und möglichst einen sofort tödlichen Stoß anbringen. Dem Ranen schien auch nichts rechtes einzufallen, er haute seine Axt, wie er es wohl schon ein halbes Dutzend Mal getan hatte, genau auf Christians Schild.
´Das nächste Mal!´, sagte sich der, ´Das Herz, ich muss versuchen, ihm das Messer so tief, wie möglich, in das Herz zu rammen!´
Er hatte zwar noch nie einen Menschen getötet, doch er würde nicht einen Moment zögern, es zu tun, um sein eigenes Leben zu retten. Christian lugte diesmal nicht über seinen Schild. Er konzentrierte sich und lauschte, während er auf den nächsten Angriff wartend einen weiteren Schritt nach hinten ging. Dann hörte er auch schon erneut das Singen, das die breite Schneide des slawischen Kriegsbeils in der Luft erzeugte. Er bewegte den Schild in die Richtung, aus der er den Hieb abermals erwartete, hörte einen dumpfen Aufschlag, spürte aber keinen Widerstand.
´Sollte das eine Finte gewesen sein?´, schoss es ihm durch den Kopf.
Sofort sprang er zwei Schritte zur Seite und ließ seinen Schild zur Brust sinken, um zu sehen, was sein Widersacher vorhatte.
Der Rane stand immer noch wie angewurzelt an derselben Stelle, ohne auf Christians Ausweichmanöver zu reagieren. Er hielt die Arme angewinkelt vor seiner Brust, ließ sie dann plötzlich gleichzeitig ruckartig sinken und Schild und Streitaxt fallen. Sein Blick lag irgendwo, unbestimmt in der Ferne, aber seine Wahrnehmung schien allein auf sein Inneres gerichtet, von seiner Umgebung bemerkte er augenscheinlich nichts mehr.
Dann begann er sich zu bewegen, oder er versuchte es zu mindestens. Der Oberkörper schwang sich ungelenk hin und her, aber die Beine wollten ihm nicht mehr gehorchen. Er wirkte wie ein Mann, der bis zum Nabel eingegraben war und
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