Svantevit - historischer Roman (German Edition)
sich zu befreien versuchte. Mit der rechten Hand wollte er etwas an seinem Rücken greifen und drehte sich dabei ruckartig so sehr, dass er zu Fall kam. Der kurze Moment, in dem das alles geschah, hatte Christian keine Möglichkeit gegeben, überhaupt darüber nachzudenken, was hier vor sich ging. Sein Bewusstsein war an dem Zeitpunkt unterbrochen, an dem er seinen Feind erblickt hatte. Alles danach war bloßes Reagieren und unwillkürliches, reflexartiges Handeln.
Jetzt sah er, was seinen sich nun drei Schritte vor ihm in Agonie windenden Gegner zur Strecke gebracht hatte. Genau in seinem Rückgrat, knapp oberhalb des Beckens, steckte die gleiche Waffe, mit der er Christian bedroht hatte. Die lange Schneide war tief eingedrungen, hatte die Wirbelsäule durchtrennt und ihm damit sofort die tödliche Verletzung zugefügt, an der er nun starb. Ein letztes Aufbäumen ging durch den Körper. Die Augäpfel waren so verdreht, dass nur noch das Weiße zu sehen war, dann fiel sein Gesicht endgültig in den Staub. Christian wurde mit einem Schlag alles bewusst, was geschehen war. Er schaute über den Toten hinweg und erblickte einen älteren Mann, der an dem inzwischen fast bis zur Asche herunter gebrannten Feuer kniete. Dieser legte trockenes Gras auf die Glut, pustete, bis die Flammen wieder aufloderten und schichtete dann ein wenig Brennholz darauf. Das alles tat er mit einer Seelenruhe, bevor er sich an Christian wandte.
Diederich
"Nun, Herr, was haltet ihr davon, wenn ich uns etwas zu essen mache. Über diesem Feuer wurde noch kein Braten gewendet und ihr seid doch sicher schon eine Weile hier. Außerdem haben wir uns einiges zu erzählen, glaube ich."
Christian strahlte über das ganze Gesicht. Jegliche Anspannung fiel augenblicklich von ihm ab.
"Ja, das ist wirklich eine gute Idee. Wo hast du nur gesteckt Diederich? Ich habe mir wirklich schon Sorgen gemacht!"
Dabei fiel ihm schuldbewusst ein, dass er bereits eine ganze Zeit nicht mehr an seinen treuen Gefährten gedacht hatte, obwohl sein Verschwinden während des Sturmes ziemlich lange her war und auf Schlimmeres schließen ließ.
"Dazu hätte ich wohl allemal mehr Grund gehabt, wie eben zu sehen war. Wo zum Teufel steckt Ronald? Dass er nicht folgsam ist, wie ein Klosterschüler, war mir schon klar, aber dass man sich so wenig auf ihn verlassen kann, hätte ich nicht gedacht. Was wäre geschehen, wenn ich nicht, fast zufällig, hier gewesen wäre, um euch beizustehen? Auf seine windige Ausrede bin ich schon jetzt gespannt, aber so leicht kommt er diesmal nicht damit durch! Er glaubt wohl, er ist hier auf einer lustigen Hasenjagd zum Zeitvertreiben? Hier kann einen jeder Fehler das Leben kosten . . . das habt auch ihr gerade hoffentlich gelernt, Graf Christian!"
Diese ungewöhnlich heftige Ansprache ließ deutlich erkennen, dass Diederich alles andere als gelassen war. Er beherrschte sich lediglich, wie üblich, so gut es ging.
"Ja, mir steckt der Schreck noch in den Knochen! Aber gebe nicht Ronald die ganze Schuld! Er wollte sich von hinten anschleichen, um zu sehen, wer uns da belauerte. Inzwischen müsste er allerdings schon längst wieder da sein! Hoffentlich ist ihm nichts passiert!"
"Wie lange ist er denn schon fort?"
Diederich machte ein schnalzendes Geräusch in die Richtung, aus der er anscheinend gekommen war und ein riesiger, massiger Hund erhob sich von der Stelle, an der er bis jetzt ruhig verharrt hatte und kam schwanzwedelnd auf die Beiden zu. Christian kraulte den prächtigen Rüden, den man von weitem wohl mit einem jungen Bären verwechseln konnte und den Ronald scherzhaft das Ungeheuer nannte, hinter den Ohren und klopfte ihm das Fell.
"So genau weiß ich es nicht, aber die Sonne hatte ihren höchsten Stand noch nicht ganz erreicht, als er wegging."
"Wenn er sich bloß von hinten anschleichen wollte, wie ihr sagt, dann kann er sich ja eigentlich nicht allzu weit entfernt haben. Das Getümmel eines Kampfes wäre sicherlich bis hierher gedrungen. Irgendetwas muss trotzdem vorgefallen sein, da habt ihr sicherlich Recht, anders ist es wohl nicht zu erklären, dass er so lange ausbleibt. Wir wollen aber nichts überstürzen, ihr habt ja gesehen, wohin das führt!"
Also briet Diederich ihnen erst einmal einen Hasen, den er bereits erlegt hatte und jetzt aus der großen Ledertasche, die er immer an seiner Seite trug, zog. Dabei erzählte er, wie es gekommen war, dass er in der Sturmnacht verschwand und nun, so plötzlich und
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