Svantevit - historischer Roman (German Edition)
Onkel, dessen linkes Hosenbein unter dem Knie in einem Knoten endete, immer etwas unheimlich.
Die Pferdeställe waren lang gezogene Gebäude, deren Seitenwände aus mit Lehm verputztem Flechtwerk bestanden. Auf den tragenden Balken saß ein dichtes Dach aus Schilfrohr, das erstaunlich gut auch dem jetzt herrschenden Unwetter trotzte.
Als Radik und Ferok hineingingen, schlug ihnen sofort der markante Geruch der Tiere entgegen, der die beiden Jungen zusammen mit der spürbaren Wärme der Luft sofort in den Bann zog. Die Tiere standen zu beiden Seiten eines Ganges, jedes mit einem Strick an einen Pfahl gebunden. Da die Pferde an Menschen gewöhnt waren, beachteten sie die zwei sich still umsehenden Jungen kaum.
Radik betrachte jedes Tier mit der größten Aufmerksamkeit, als galt es irgendwas Geheimes, Verborgenes zu entdecken. Er konnte sich nicht erklären, warum er nicht früher schon seinen Onkel öfter hier besucht hatte. Pferde hatte er auch als kleiner Junge schon für interessant gehalten, aber dies ging nicht über das Interesse hinaus, das er auch Hunden und Katzen entgegengebracht hatte, von der Faszination gegenüber wilden Tieren, die er freilich nur aus Erzählungen kannte, ganz zu schweigen. Jetzt aber war es, als wären ihm die Augen geöffnet worden und wenn er es recht bedachte, waren es die Bilder der berittenen Tempelgarde, die diese ihn durchdringende Begeisterung für die Pferde ausgelöst hatten. Und er spürte auch, dass es letztlich sein Verlangen war, zu diesen Männern dazu zu gehören, das ihm diese Tieren so nahe brachte.
Ruhig durchschritten sie den langen Gang.
"Wie wäre es, wenn wir uns zwei Pferde für einen kleinen Ritt ausleihen würden?", durchbrach Ferok im Flüsterton das Schweigen.
"Kannst du denn reiten?", fragte Radik ungläubig zurück.
"Wieso nicht? Was soll daran denn so schwer sein? Wenn du erst mal auf dem Pferd sitzt, musst du dich doch nur ein bisschen festhalten. Es kann auch nicht anders sein als auf dem Rücken eines Ochsen, nur viel schneller."
"Du würdest mit dem Pferd nicht mal bis zum Burgtor kommen. Nicht so sehr, weil die Soldaten dich aus dem Sattel prügeln werden. Vielmehr wirst du bei den ersten schnelleren Schritten des Tieres herunterfallen wie ein nasser Sack.", spottete Radik.
"Wollen wir wetten, dass ich es schaffe!"
Feroks Gesichtsausdruck verriet, dass es ihm ernst war.
"Vergiss nicht, dass mein Onkel uns hier hereingelassen hat. Mit dem möchte ich keinen Ärger haben – und du solltest vermeiden, mit seiner Krücke Bekanntschaft zu schließen. Außerdem kann ich nicht zulassen, dass du dir beim Sturz vom Pferd den Hals brichst."
Ferok trat vorsichtig an eines der Tiere heran.
"Wenigstens erstmal aufsitzen", sagte er leise und legte eine Hand auf den Rücken des Pferdes, als nehme er Maß für den Aufschwung.
Da betrat ein Mann den Stall, der ein Pferd an einem Strick führte. Ferok ging zurück in den Gang, obwohl der Mann die beiden Jungen nicht weiter beachtete.
Als er bemerkte, dass es sich offensichtlich nur um einen Stallburschen handelte, der lediglich wenige Jahre älter war, als die beiden, fragte er frech: "Wo liegen eigentlich die Sättel?"
Der Bursche guckte etwas irritiert und konnte offensichtlich nicht genau einschätzen, was er von den beiden Jungen halten sollte, die hier nicht hereinpassten, aber immerhin recht selbstsicher auftraten.
Wohl um keinen Fehler zu machen, antwortete er schließlich: "Tut mir leid, ich hab zu tun!", und verschwand wieder.
Als Radik bemerkte, dass sich Ferok wieder zu dem Pferd begeben wollte, hielt er ihn am Ärmel fest und sagte in unmissverständlichem Ton: "Beschränke dich für heute auf das Angucken der Pferde!"
"Aber die Wette gilt", gab dieser trotzig zurück.
Als sie am Ende des Stalles angelangt waren, drehten sie sich um. Auf jeder Seite waren etwa fünfzig Pferde angebunden. Radik besah sich die lange Reihe der Tierleiber und stellte sich den Anblick vor, der sich einem Feind bieten musste, wenn eine solche Streitmacht herangestürmt kommt, auf dem Rücken eines jeden Tieres ein furchtloser Krieger. Und das war noch nicht einmal die Hälfte der hier in der Burg von Arkona befindlichen Pferde.
Schließlich gingen sie zum zweiten Stall, der dieselbe Ausdehnung hatte wie der vorige. Diesen durchschritten sie schneller, nicht zuletzt, weil hier einige Männer mit der Fütterung und Pflege der Pferde zu tun hatten.
Dann gelangten sie an ein Gebäude, das aus massiverem
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