Svantevit - historischer Roman (German Edition)
spielen können und nahmen jetzt begeistert Besitz von der hellen weißen Landschaft.
Alle waren dick in Pelze gepackt und selbst, wenn man beim Toben arg ins Schwitzen geriet, sahen es die Mütter nicht gerne, dass sich die Kinder der Mütze oder gar der Jacke entledigten.
Radik musste mit seinen Geschwistern so manche Schneeballschlacht führen und seine gut gezielten Würfe waren gefürchtet, auch wenn er dabei nicht seine ganze Kraft einsetzte. Bestritt er mit Ferok ein solches Gefecht, ging es natürlich schon etwas härter zur Sache, aber die dicken Wintersachen fingen die Wucht der eisigen Kugeln gut ab und auf den Kopf durfte natürlich nicht gezielt – es sei denn man wollte seine Treffsicherheit damit beweisen, dass man dem anderen die Mütze vom Kopf warf, selbstverständlich nicht mit Absicht.
Beliebt war natürlich auch das Bauen von Tieren, meist Bären, oder komischen Fantasiewesen aus Schnee. Als Radik die weiße unberührte Schneedecke vor sich sah, beschloss er, ein Pferd daraus zu formen. Freilich würde es etwas kleiner als in der Wirklichkeit sein und die Beine würden im Verhältnis zum Körper etwas dicker ausfallen. Aber auf einen Versuch sollte es dennoch ankommen. Zunächst formte er den Körper aus zwei großen Kugeln, die er fest aneinander drückte und mit etwas Schnee verband und schon konnte man den geschwungenen Rücken erkennen – wenn man wusste, dass es ein Pferd werden sollte. Durch wiederholtes kraftvolles Darüberstreichen mit den Händen sollte die Verbindung der Kugeln so stark werden, dass sie nicht wieder auseinander rollten, wenn man sie auf die Beine setzte. Bevor dies passierte sollten jedoch der Hals und der Kopf aufgesetzt werden.
Schnell wurde Radik klar, dass sich eine so schön geschwungene Körperlinie wie bei den richtigen Tieren bei diesem Schneepferd nicht formen ließ. Der Hals selbst könnte noch in nach vorne gereckter Position befestigt werden, aber mit dem Aufsetzen des Kopfes würde er unter der Last zusammenbrechen.
Rusawa stand plötzlich neben ihm und wunderte sich über die seltsamen Formen: "Was soll das denn werden?"
Einen neugierigen Zuschauer konnte Radik jetzt eigentlich nicht gebrauchen, aber zum Glück hatte Ivod in diesem Moment gerade einen Schneebären fertig gebaut und tat dies auch gleich lauthals kund. Und das schien Rusawa denn doch interessanter, als die eigenartige, wahrscheinlich misslungene Figur, an der Radik seit geraumer Zeit werkelte. Noch dazu, weil Ivod als der beste Bärenbauer des Dorfes bekannt war, der sich immer wieder neue Formen einfallen ließ und dabei erstaunliche Details einarbeitete. So ließen seine Bären schon mal die Zunge heraushängen, hatten Hörner, schielende Augen oder gar zwei Köpfe.
Radiks Pferd wurde schließlich ein wenig elegantes Tier mit massiven kurzen Beinen und einem dicken Hals. Aber immerhin passten zwei Kinder gut auf seinen Rücken, wie sich schnell herausstellte, als sich Rusawa und ein anderes kleines Mädchen zu einem Ritt hinaufschwangen.
Die Wildheit ihrer Bewegungen, das Zerren am Hals und Treten in die Flanken, ließen Radik schnell erahnen, dass seiner Figur kein langes Leben beschieden sein würde. Da er aber seine Kreation ohnehin als misslungen ansah, störte ihn dies nicht, vielmehr gönnte er den Kleinen ihren Spaß.
Schließlich fing es an zu schneien. Und während Niederschläge zu allen anderen Jahreszeiten geräuschvoll einherkamen, lautstark auf die Dächer der Häuser, die Blätter der Bäume, das Wasser des Meeres und die blanke Erde niederprasselten, war der einsetzende Schneefall, zumal bei Windstille, von einer geradezu mystischen Stille begleitet.
Auch der Lärm der Kinder nahm ab. Mit staunenden Augen wurde der Tanz der dicken weißen Flocken beobachtet.
Selbst Rusawa war verstummt. Sie blickte hinauf in den Himmel und versuchte zu entdecken, wo die Schneeflocken herkamen. Aber dort war nur eine gräuliche, tief hängende Wolkendecke zu sehen, die nicht als Ansammlung vieler einzelner Flocken zu erkennen war.
Rusawa versuchte, eine Schneeflocke, die möglichst noch weit oben war, mit dem Blick zu erfassen und bis zum Auftreffen auf der Erde zu verfolgen. Aber die große Menge und Dichte der weißen Kristalle ließ sie bald "ihre" Flocke aus den Augen verlieren. Doch sie versuchte es erneut und wieder und wieder, bis eine ganze Zeit vergangen war.
"Verrenke dir nicht den Hals!", rief Ivod zu ihr hinüber.
Aber sie war so vertieft, dass sie das nicht
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