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Svantevit - historischer Roman (German Edition)

Svantevit - historischer Roman (German Edition)

Titel: Svantevit - historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai M. Jakobi
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wahrnahm.
    Schließlich zog sie die Handschuhe aus und hob ihre Hand empor. Sie versuchte, eine Schneeflocke zu fangen, was auch nicht schwer war. Es sollte aber eine besonders große sein. Diese betrachtete sie dann ausgiebig, so nah, dass sie fast mit der Nasenspitze anstieß. Die Flocke sah zwar von weitem aus wie eine kleine Kugel. Von Dichtem erkannte man, dass aus der Mitte in alle Richtungen viele spitze Eispfeile wuchsen, die sich weiter verzweigten und am Ende Sterne bildeten. Am liebsten hätte sie so ein kleines Meisterwerk für längere Zeit behalten, gar mit nach Hause getragen. Schon nach kurzer Zeit schmolz der Traum und es blieb nur ein Wassertropfen. Doch der wurde weggewischt und eine neue Flocke gefangen. Und je länger Rusawa so spielte und je kälter ihre Hände dabei wurden, desto länger hielten auch die kleinen eisigen Wunderwerke auf der Haut.
    Schließlich setzte sie sich in den Schnee.
    Sofort mahnte Radik, der mit Ivod an weiteren Schneetieren bastelte: "Steh bitte auf! Sonst bist du bald selbst ein kleiner Schneemann!"
    "Ich kann nicht mehr stehen", erwiderte Rusawa mit leiser Stimme.
    "Dann geh nach Hause, dort kannst du dich warm und gemütlich hinsetzen."
    "Aber da sind keine Schneeflocken. Ich bleibe hier sitzen."
    "Na gut. Dann werde ich es wohl der Mutter sagen müssen."
    "Du alte Petze", sagte Rusawa mit einem sanften Lächeln und erhob sich augenblicklich.
    Sie spürte nun doch die Kälte und wollte mit Radik nicht streiten und ging deshalb langsam zur Hütte, nicht ohne dabei noch einige Schneeflocken zu fangen. 
     
     

Kaltes Grauen
     
    "Nun komm´ endlich! Na, wenn ich gewusst hätte, dass du so trödelst, hätte ich dich gar nicht erst mitgenommen!"
    "Ich trödle ja überhaupt nicht, ich bin viel schneller als du!", rief Radiks kleine Schwester und lief durch den tiefen Schnee, der ihr bis über die Knie reichte, an ihm vorbei, "Versuch doch mal, mich zu fangen – du kriegst mich nicht!"
    Radik lief ihr spielerisch hinterher, so als ob er sie ernsthaft einholen wollte, in der Hoffnung, sie ein wenig vor sich herzutreiben, um endlich schneller voranzukommen. Rusawa lief hinter einen kleinen Baum, versteckte sich und als ihr Bruder mit ausgebreiteten Armen angestapft kam, "Jetzt hab´ ich dich!", ließ sie ihm einen kleinen dick mit Schnee beladenen Zweig ins Gesicht klatschen und lief vor Freude kreischend davon.
    Das war genug, jetzt hatte er endgültig die Nase voll von ihren Albernheiten.
    "So, ich gehe jetzt und warte nicht mehr auf dich! Komm lieber mit, sonst holt dich noch der Waldgeist!"
    "Der Waldgeist kriegt mich nicht, der ist genauso eine lahme Ente wie du!", hörte er sie rufen, aber aus den Augenwinkeln sah er, dass sie ihm, sich von Deckung zu Deckung pirschend, folgte.
    Seit einigen Wochen hielt der Winter alles in seinem eisigen Griff. Es gab zwar keine Schneestürme, nur hin und wieder fielen dicke Daunenfederflocken fast senkrecht auf die Erde, aber es war so kalt wie schon seit Jahren nicht mehr und nichts deutete darauf hin, dass der nun schon so lange anhaltende Frost in nächster Zeit an Kraft verlieren sollte.
    Das Wasser an den Ufern rings um Rügen war gefroren, sogar vom Kap im Norden aus sah man nichts als Eis. Ans Fischen war nicht zu denken und so widmeten sich alle den zahlreichen anderen über das Jahr angefallenen Arbeiten. Die Männer reparierten Boote und stellten neue Netze und Reusen her, während die Frauen Leinentücher webten oder Alltagsgeschirr töpferten. Fässer und Kisten stellte der Böttcher her und zu diesem war Radik unterwegs.
    Der Böttcher wohnte in einem Dorf etwas abseits von Vitt. Doch im Winter konnte man den Weg über die zugefrorenen Bodden abkürzen.
    Dem Fassmacher sollte Radik mitteilen, wie viele Fischtonnen von seinem Dorf benötigt wurden und einen guten Preis dafür aushandeln. Bezahlt wurde allerdings nicht mit Geld oder Edelmetall, wie das die auswärtigen Kaufleute und Händler taten, sondern mit praktischen Dingen, die jeder benötigte, wie Leintücher, Tongeschirr oder Eisenbarren. Wenn im Frühjahr der Heringsfang wieder begann, würden die Nachfrage und der Preis für die Fässer wieder steigen, dann konnte man sich auf die jetzt gemachten Abmachungen berufen.
    Als Radik nun an diesem Morgen seinen Auftrag bekommen hatte, war Rusawa augenblicklich um ihn herum gesprungen und hatte verlangt, mitgenommen zu werden. Hilfe suchend hatte er zu seiner Mutter geblickt, doch die hatte nur die Schultern

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