Svantevit: Radiks Geschichte - Historischer Roman (German Edition)
dass unsere Geschäfte gut liefen. Auch waren wir nicht mittellos gekommen und ein gewisses Maß an Bildung und Wissen ist für so manchen Dummkopf eine Provokation, zumal bei Zugewanderten, bei denen jedes Verhalten, was nicht in Demut, Anpassung und Unterwürfigkeit besteht, sofort Misstrauen erregt."
Wut oder Hass waren dem Alten nicht anzumerken, so als schildere er eine Geschichte, die mit seiner Person nichts zu tun hat.
"Man verbot mir das Betreiben einer Kräuterküche und untersagte uns den Handel mit Nahrungsmitteln, insbesondere Met und Honig. Aber es hätte auch schlimmer kommen können. Einige Eiferer versuchten den Priester des Svantevittempels aufzuhetzen, welcher sich aber als besonnen erwies. Er holte den Rat des Medicus aus Garz ein, dem Menschen also, der hier auf der Insel wohl am meisten von den Dingen der menschlichen Gesundheit versteht. Dieser teilte mit, dass ihm Fälle bekannt seien, in denen ein Schlag oder ein Fallen auf den Kopf ohne sichtbare Verletzung zum Tode geführt hätten. Dabei seien Übelkeit und Erbrechen durchaus als Symptome aufgetreten. Diese Antwort ließ der Priester als Beleg dafür gelten, dass ein Verschulden hier nicht eindeutig festzustellen sei und verwies die empörten Leute auf die mir und der Familie auferlegten Verbote, mit denen der erneute Fall eines Meuchelmordes verhindert werde. Auch sei der Tod der Frau bedauerlich, aber deren Wiedererweckung zum Leben ohnehin nicht mehr möglich."
Womar stand langsam auf.
"Ich muss erstmal den schlechten Teil des Mets ablassen", sagte er und ging vor die Tür.
Radik wunderte sich, mit welcher Ruhe und Gelassenheit Womar von den Dingen berichtet hatte, wenn auch zu Anfang seine Hände die Angespanntheit verraten hatten.
"Ich wollte vorhin nicht einfach fortlaufen und dich ratlos zurücklassen, vielleicht gar mit dem Gefühl, mich gekränkt zu haben."
"Ich weiß. Dass ich mit meinem Geplapper schlimme Erinnerungen in dir wachgerufen habe, tut mir leid. Manchmal bin ich ein richtiger Dummkopf und …"
Sie legte einen Finger auf seine Lippen.
"Nein, du bist kein Dummkopf."
Der Alte kam wieder hinein und erzählte weiter, noch bevor er sich hingesetzt hatte.
"Natürlich kamen sie wie Strauchdiebe geschlichen, die vielen, die meinten, wir müssten unseren Met jetzt heimlich zu besonders günstigen Preisen verkaufen. Dies war uns zunächst nicht recht, aber nach einigen Monaten, als sich die Wellen geglättet zu haben schienen, füllten wir im Schutze der Dunkelheit gar manchen Krug. Ob er nicht befürchte, dass ich ihn vergifte, fragte ich einen besonders häufigen Gast. Das wolle er hoffen, hatte der gemeint, dass hier ein rechtes Gift drin sei, sonst könne er ja gleich Wasser trinken."
Der Alte hob schmunzelnd seinen Becher. Dann blickte er sehr ernst drein. "Es war fast ein halbes Jahr nach dem Tod der jungen Frau. Wir waren der Meinung, nun nichts mehr befürchten zu müssen. Leute, die heimlich zu mir kamen, um sich eine Kräutermixtur zu holen, schickte ich allesamt fort. Oft kamen Angehörige derjenigen, die es besonders nötig hatten und da lag der Geruch des Todes nicht selten bereits in der Luft. An einem Herbsttag ging meine Tochter mit ihrem Mann und der kleinen Kaila, die damals vier Jahre alt war, von der Burg nach Hause. Sie hatten auf dem Markt vor der Burg Kleinigkeiten erworben und waren wohl in Eile, denn die Dämmerung setzte bereits ein. Auf einem schmalen Weg traten plötzlich drei Männer aus einem Gebüsch, die nun den ganzen Platz für sich beanspruchten. Es entspann sich ein Wortgefecht mit Kailas Vater, der nicht einsah, warum seine Familie in den Graben treten oder das Gesträuch kriechen sollte. Wie schnell klar wurde, handelte es sich um drei trunkene Gardisten, die einen Raufhandel provozieren wollten. Einer muss gewusst haben, wem er gegenüber stand, denn er meinte zu den anderen, dass es sich um Christenpack handeln würde, zudem Giftmischer und wucherische Halsabschneider. Als einer der Gardisten, meine Tochter aus dem Weg schubsen wollte, schlug ihr Mann zu. Drei Dolche blitzten und färbten den Sand rot. Und wie ein Mensch nach solcher Tat zu Besinnung kommt und das große Unrecht spürt, so geraten Tiere in einen Blutrausch und töten, einmal damit begonnen, alles in blinder Wut. Dies waren drei Kreaturen der finstersten Sorte, die es sich nicht verkneifen konnten, zunächst an ihrem Opfer, vor den Augen des Kindes, ihre Geilheit abzureagieren, bis ein Schnitt in die Kehle die
Weitere Kostenlose Bücher