Svantevit: Radiks Geschichte - Historischer Roman (German Edition)
danach. Die grünen Augen! Der Blick durchzuckte ihn.
"Wo … was ist das … woher …?"
Radmar verstand nicht, warum der Mann plötzlich vor ihm auf die Knie gefallen war, seltsam guckte und nun kein Wort mehr sagte. Er rief nach Christian, der gemessenen Schrittes zu ihm kam.
Radik hatte sich schnell wieder gefangen.
"Gestatte, dass ich mich vorstelle. Mein Name ist Radik. Ich bin der Befehlshaber dieser Burg, vielmehr ich war es."
Christian nahm etwas irritiert die ihm angebotene Hand an, verwundert darüber, so vortrefflich in seiner Sprache angeredet zu werden.
"Christian Graf vom Freien Berg."
Radik sah die Narbe an Christians Stirn und war sich jetzt ganz sicher.
"Wir sind uns schon einmal begegnet, doch war mir dein Name bisher nicht geläufig."
Christian guckte verwundert.
"Erlaube mir, dass ich dir etwas zeige."
Schon fasste er Christian am Arm und wies in Richtung der Stallungen. Vielleicht war es ja etwas naiv, sich als derjenige zu offenbaren, der seinerzeit den Schimmel nicht gerade feinfühlig an sich gebracht hatte. Aber Radik spürte, dass Christian keine Gefahr war, immerhin hatte er damals sein Leben geschont.
"Moment", sagte Christian und blickte sich nach seinen Männern um.
"Was fürchtest Du?", fragte Radik, "Ich bin unbewaffnet, wie du siehst."
"Schon gut."
Im Stall angelangt traute Christian seinen Augen nicht.
"Das Tier hat uns gute Dienste geleistet. Jetzt brauchen wir es wohl nicht mehr", erklärte Radik und war froh zu sehen, dass bei Christian die Freude etwaigen Groll überwog.
"Du schuldest mir eine Erklärung", sagte Christian freundlich.
"Gerne! Doch muss dies nicht hier im Stall geschehen. Ich habe zwar nur eine kleine Hütte, sehr bescheiden …"
"Ich lade dich gerne in mein Zelt."
"Gut, lass uns gehen", sagte Radik.
"So ungeduldig?"
"Du wirst verstehen, dass mich nichts länger in dieser Burg hält."
"Das will ich gerne einsehen", gab Christian zu.
Radik fasste Radmar unter den Schultern.
"Er darf doch aufs Pferd?"
"Oh ja!", jubelte der Junge.
"Halt dich aber gut fest!", forderte Christian und zu Radik gewandt: "Ich bin ja nicht der Vater."
"Ich weiß."
Im Lager angekommen hatte Christian zu Radik anscheinend Vertrauen gefasst, denn er begann, munter zu plaudern.
Doch Radik hörte schon bald nicht mehr hin. Er fragte den Jungen, wo er dessen Mutter finden könne. Radmar wies auf ein Zelt ganz in der Nähe und als Christian ihm folgen wollte, hielt Radik ihn durch ein Handzeichen zurück und ging allein.
Kaila ruhte auf einer Liege. Als Radik, der sich zögernd näherte, nur noch einen Schritt entfernt war, schlug sie langsam die Augen auf.
Sein übernächtigtes Gesicht war noch immer rußgeschwärzt, das Haar versenkt und doch hätte sie ihn unter Tausenden von Männern bereits mit einem flüchtigen Blick erkannt.
Vorsichtig kniete er sich nieder. Ihre Hände suchten und fanden sich rasch und bald auch ihre Lippen.
Er hatte Blut verloren, Unmengen von Blut. Dass er an diesem Morgen überhaupt die Augen öffnete, grenzte an ein Wunder. Zitternd hatte er die letzten Tage im Wald verbracht, immer nur kurze Augenblicke bei Bewusstsein.
Vorsichtig betastete Nipud nun seinen Körper, während er sich langsam aufrichtete. Einen Pfeil hatte er bereits aus seinem Bein gezogen, doch in seiner Schulter steckte ein weiterer. Um dort heranzugelangen, musste er sich strecken und dies verursachte kaum zu ertragende Schmerzen, da ihm ein Schwerthieb eine tiefe Wunde auf der linken Brust beigefügt hatte. War vielleicht sogar eine Rippe gebrochen?
Als er aufschrie, erschrak er sich selbst. Misstrauisch sah er sich um, doch nichts rührte sich. Ob ihn die Dänen verfolgt und gesucht hatten? Dann hätte er längst etwas gehört. Trotzdem musste er vorsichtig sein. Wo war das Pferd? Egal, erstmal auf die Beine kommen!
Die ersten Schritte waren eine Qual. Er humpelte, schief und tief gebückt, darauf gefasst, jeden Moment umzufallen. Ein paar Beeren brachten den knurrenden Magen zum Schweigen, obwohl der Ekel den Appetit weit überwog.
Am Waldrand beobachtete er aufmerksam die Umgebung. Wie selbstverständlich kam sein Pferd zu ihm, Gras kauend, unverletzt. Nipud wollte dem Tier ein paar beruhigende Worte sagen, bekam aber nichts heraus. Sein ganzer Körper tat weh und was nicht schmerzte war taub, wie seine Zunge.
Von den Männern, die er beim Angriff auf das dänische Lager befehligt hatte, war offenbar keiner mehr am Leben. Kaum
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