Sven Larsson Bd. 1 - Rebell unter Segeln
in der heranziehenden Auseinandersetzung eine antibritische Haltung einnahm.
Svens Gedanken waren seit der Abfahrt seltsam gespalten. Ja, er war froh, dass er den Häschern entkommen war. Er war auch nicht unglücklich, dass er wieder aufs Meer hinausmusste. Aber er hing auch sehr an denen, die er verlassen hatte.
Seine Mutter hatte er immer innig geliebt. Er war ja seit dem Tod seines Vaters der Mann in der Familie gewesen. Immer hatte er sie auch beschützen wollen. Und nun hatte sie einen neuen Mann, zuverlässig, klug und liebevoll. War er seinem Vater untreu, wenn er den neuen Mann an der Seite seiner Mutter achtete und mochte?
Und die neue Schwester Sabrina! Sie ging ihm nicht aus dem Kopf. Der vorgezogene Abschied vor dem College in Philadelphia gab wenig Raum für persönliche Gefühle. Aber hatte sie nicht persönliche Betroffenheit, Sorge und Schmerz gezeigt? Das war doch anders als bei seiner leiblichen Schwester Ingrid, die wie immer sehr burschikos zu ihm war. Was berührte ihn so bei Sabrina?
War es ihre Schönheit? Ihre Klugheit, ihre offene Herzlichkeit? Es war wohl eher diese eigenartige Kombination aus allem. Ja, sie war einzigartig und ganz anders, als er bisher Mädchen und Frauen kennen gelernt hatte. Nun ja, so viele kannte er ja auch nicht.
Sven wurde aus seinen Gedanken gerissen, als die Seeleute laut johlten. Auf der Ladefläche eines Conestoga-Wagens, den sie gerade überholten, paarten sich ein junger Bursche und ein Mädchen. Die hintere Plane war zur Seite geweht, und man konnte sehen, wie sie sich vornüber über die Säcke beugte und er sie von hinten mit heruntergelassener Hose stieß.
Sie hatten wohl nicht damit gerechnet, dass ein Wagen so schnellvon hinten aufkam. Als sie das Gegröle hörten, glitten sie von den Säcken zur Seite und versuchten sich zu verbergen.
Sven war unangenehm berührt. Das war doch ekelhaft und primitiv, sich auf der Ladefläche eines schüttelnden Lastwagens zu paaren. Aber reagierten nicht auch die grölenden Matrosen primitiv? Doch nicht alle johlten vor Begeisterung und Sensationslust. Es gab auch einige, die eher peinlich berührt oder ablehnend schauten. Vielleicht dachten auch sie an ein Mädchen wie Sabrina.
In der Höhe von Princeton machten sie Mittagsrast. Sie erhielten eine kräftige Brühsuppe mit Fleisch und Gemüse und ein Stück Brot.
»Es schmeckt anders als auf dem Schiff«, urteilte Joshua und langte kräftig zu.
Sven schaute sich um. Erstaunlich, wer alles auf der Straße unterwegs war. Familien, die wahrscheinlich erst vor Kurzem ein Auswandererschiff in New York verlassen hatten und nun nach Pennsylvania wollten. Vertreter, die ihre Waren im Land abzusetzen versuchten. Fuhrleute, die tagaus, tagein Frachten hin und zurück transportierten. Vornehm gekleidete Reisende, die abseits ein gepflegtes Mahl einnahmen. Und auch Menschen, die zu Fuß ihrem Ziel zustrebten.
Es war, wie seine Mutter immer gesagt hatte, ein junges, vielfältiges und ungebärdiges Land. Kaum ein Landstrich glich dem anderen.
Spät am Abend erreichten sie den Liegeplatz ihres Schoners auf einem Werftgelände am Zugang zur Newark Bay. Sven rief die Schiffswache an und wurde zum Kapitän geführt, während die Matrosen an Deck warteten.
Jonathan Rickes war ein älterer Mann, dessen Kopf ringsum von grauen Haaren eingerahmt war. Er empfing Sven reserviert, wenn nicht gar unfreundlich. Aber Mr Bradwick hatte schon angedeutet, dass der Kapitän ein etwas schwieriger Kauz war, den man aber für diese Aufgabe unbedingt brauche.
»Sie sind also der Erste Maat, den mir der Reeder schickt. Er schrieb mir, dass Sie vor allem den Drill an den Waffen betreiben sollen.«
»Ja, Sir. Ich bringe außerdem zehn zusätzliche Matrosen. Dürfen sie ihre Quartiere beziehen? Sie warten an Deck.«
»Warten Sie, Mr Larsson. Ich schicke meinen Diener zum Bootsmann«, sagte Mr Rickes und erteilte die Befehle.
Sven wusste, dass Mr Rickes ein Mann der alten Schule war, der sich selbst als »Master« und nicht als Kapitän bezeichnete, wie es die jüngeren Leute taten. Mr Rickes hatte viele und auch verwandtschaftliche Beziehungen zu den Werften und Gießereien in Neu-Braunschweig und Neuschottland, wo sie jetzt ihre Achtpfünder-Kanonen abholen sollten.
Warum sie deswegen bis nach Kanada segeln müssten, hatte Sven Mr Bradwick gefragt.
»Sie haben doch gehört, dass in die Kolonien keine Waffen mehr importiert werden dürfen, Mr Larsson. Die Kanadier sind erst seit
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