Sven Larsson Bd. 1 - Rebell unter Segeln
Fässer mit Melasse, aus der man Rum destilliert«, erklärte Adam. »Aber heute gehen wir noch einmal an Land und leisten uns auch eine Kutschfahrt.«
Eine Kutschfahrt hatte für Adam die Bedeutung, dass er kein armer, gering geschätzter Salzbuckel war, sondern ein Mensch, der sich auch Vergnügungen der gehobenen Klasse leisten konnte. Und so fuhr er mit seinen Kameraden in einer offenen Kutsche durch die Außenbezirke Kingstons hinauf auf einen Hügel, wo sie die Stadt übersehen konnten.
»Seht ihr dort die dunklen Mauern, das ist Fort Augusta, und dort liegt Fort Charles«, zeigte Adam seinen Freunden. »Dort sind die Rotröcke stationiert. Aber es gibt auch farbige Kompanien hier, freigelassene Sklaven. So, und jetzt erst mal wieder etwas Rum!«
Rum in guter Qualität gab es hier praktisch an jeder Ecke, und sie saßen in einer winzigen Wirtschaft vor der Stadt. Auf der staubigen Straße wurden gerade drei Neger an den Händen gefesselt und durch ein Tau miteinander verbunden vorbeigetrieben. Es waren auch Schwarze, die sie trieben, aber sie sahen größer und muskulöser aus.
»Was machen die denn da?«, fragte Sven.
Adam zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich haben sie entlaufene Sklaven eingefangen und bringen sie zurück. Das ist die Straßenach Spanish Town, der Hauptstadt von Jamaika. Dort liegen große Plantagen.«
»Aber die sie antreiben, sind doch auch Schwarze«, wandte Sven ein.
»Das sind Maroons. Vor Jahrzehnten selbst in die Berge geflüchtet, haben sie inzwischen Frieden mit den Briten geschlossen, dürfen frei leben und werden als Sklavenjäger benutzt.«
»Gegen die eigenen Leute?« Sven schüttelte den Kopf.
»Das sind doch alles verschiedene Stämme aus Afrika«, mischte sich Karl ein. »Die Maroons sind kräftiger und haben nicht so wulstige Lippen.«
Aber Adam drängte zum Aufbruch. Er wollte noch in eine besondere Kneipe fahren. Das »Besondere« an diesem Etablissement war, dass sich die »Damen«, wenn sie zu der wilden afrikanischen Musik tanzten, Kleidungsstück um Kleidungsstück auszogen, sobald ein Zuschauer die entsprechende Münze in ein Schälchen legte, das eine Kollegin der Tänzerin herumreichte.
Bei den ersten Kleidungsstücken, Schal oder Gürtel zum Beispiel, war der »Spenderandrang« eher zögerlich. Denn die Frauen drehten sich beim Tanzen dem Spender zu, und da gab es noch nicht viel zu sehen, wenn ein Gürtel fiel. Aber wenn es dann ums das letzte Hemd oder Höschen ging, dann klapperten die Pennys schneller. Es waren gut gebaute Frauen, die sich da entblößten, und Sven merkte, wie ihm heiß wurde.
Aber dann drängte Adam auf einmal zum Aufbruch. »Hat ja keinen Sinn. Mit euch Grünschnäbeln kann man ja doch nichts Richtiges anfangen, und morgen gibt es harte Arbeit.«
Karl und Sven protestierten, aber Adam machte Anstalten, allein zu gehen. Und da bekamen die beiden Zweifel, ob sie allein zurückfinden würden.
Der nächste Tag war hart. Sie hatten nur eine kurze Pause über Mittag und mussten in der Hitze Fass um Fass in die Laderäume hinablassen und dort verstauen. Ein Fass war nicht richtig vertäut und fiel vonoben in den Laderaum. Es zerbrach. Die zähe, braune, klebrige Masse kroch förmlich am Boden entlang. Der Bootsmann fluchte und schrie, wie es Sven noch nie erlebt hatte, aber einige Matrosen steckten die Finger in die Masse und leckten sie ab.
Sven verzog sein Gesicht, denn appetitlich sah das wirklich nicht aus. »Du Dummkopf«, lachte Jonny. »Das ist aus Zuckerrohr, ganz süß! Daraus destillieren sie bei uns den besten Rum.«
Schließlich war der letzte Wagen entladen. Sven wunderte sich. Die Laderäume waren nicht einmal halb voll. Aber er hörte, dass der Beamte der Zollbehörde zum Obersteuermann sagte: »Den Rest laden Sie in Montego Bay, nicht wahr?«
Mr Walker bestätigte. Sie würden am nächsten Morgen sehr früh auslaufen, um Montego Bay rechtzeitig zu erreichen.
Sven wusste, dass das an der Nordostspitze Jamaikas war. Ob sie dort auch eine Nacht blieben? Vielleicht gab es dort auch ein Lokal, wo sich Weiber auszogen.
Am Abend hatten sich nur wenige weiter vom Hafen entfernt. Nur ein paar Glas in einer Kneipe dicht am Kai hatten sich Sven und seine Freunde gegönnt. Daher waren sie am Morgen auch ausgeruht, als die Pfeifen schrillten und sie mit dem ersten Morgenlicht den Hafen verließen.
Die Sonne ging über den Blue Mountains auf. Sven sah wieder die weißen Strände, die grünen Wälder, die
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