Sven Larsson Bd. 1 - Rebell unter Segeln
steil aufragenden Felsen. Von Weitem sieht es schöner aus als aus der Nähe, dachte er. Da ist es oft zu heiß, zu staubig und zu schmutzig.
Sie segelten an der Küste Jamaikas entlang, aber auf der Höhe von St. Ann’s Bay nahmen sie Kurs auf Kuba.
»Was soll denn das?«, fragte Sven Adam. »Wir sollen doch nach Montego Bay?«
Adam schaute ihn prüfend an. »Du darfst nicht alles glauben, was dem Zoll gesagt wird. Und wunder dich nicht über unerwartete Kurse und Liegeplätze, und rede nicht darüber!«
Das hat also wieder mit dem Schmuggel zu tun, dachte sich Sven und gab sich seiner Arbeit hin, den Rost von den Kanonenkugeln abzuklopfen und mit der Drahtwolle abzuschmirgeln.Am Abend liefen sie in eine einsame Bucht an der kubanischen Küste in der Nähe von Manzanillo ein. Zwei Leichter warteten schon auf sie. Die Leichter hatten große Ladebäume, mit denen Fässer bis in ihre Ladeluken gehievt werden konnten.
Der Kapitän rief die Mannschaft an Deck. »Eine Nacht mit harter Arbeit liegt vor uns. Dafür gibt es morgen dienstfrei für alle, die nicht gerade die Segel bedienen müssen. Ihr wisst Bescheid: Macht eure Arbeit, trinkt das Extrabier, aber redet nicht über diesen Aufenthalt.«
Auf den Leichtern waren schwarze Arbeiter, die von Weißen in spanischer Sprache kommandiert wurden. Sie beförderten in ununterbrochener Folge Fässer in die Ladeluken der Victoria. Dort mussten sie von den Matrosen der Victoria gestapelt und gesichert werden.
Sven wunderte sich, dass die Fässer genauso aussahen wie die, die sie in Kingston geladen hatten. Sie hatten die gleiche Aufschrift eingebrannt: »Black-River-Plantage.«
Er fragte Adam. »Warum bringen sie die erst von Kingston hierher? Die hätten wir doch dort einladen können.«
Adam sah ihn an, als sei er ein Riesendummkopf. »Mein Gott! Bist du naiv. Glaubst du alles, was irgendwo draufsteht? Das ist kubanische Melasse, die wird etwa ein Drittel billiger verkauft als die aus Jamaika. Wer sie einführt, muss Zoll darauf zahlen, der den Gewinn mindert. Also laden wir heimlich, und die Fässer kriegen Aufschriften wie die aus Jamaika. Kapierst du das?«
Sven nickte. »Also wieder der berühmte Schmuggel. Aber die Ladung muss doch durch Papiere bestätigt werden. Und wir haben in Kingston doch nur Papiere für die dort geladenen Fässer bekommen.«
»Das ist nicht unsere Sorge, Sven. Ob die nun die Zahl auf den Papieren fälschen, ob sie den Einfuhrbeamten bestechen, das geht mich nichts an. Und dich auch nicht! Wir machen unsere Arbeit und halten den Mund.«
Sven nickte, aber wohl war ihm nicht. Er hatte es daheim anders gelernt. Seine Mutter hatte ihm immer gesagt, dass jeder Mensch verantwortlich für seine Taten sei und das nicht auf andere abschieben könne. War das bei Schmuggel anders, weil man die Engländer beschummelte, die arrogante Bande, die seinen Großvater in den Tod getrieben hatte?Noch vor dem Morgengrauen waren die Leichter unter den Abschiedsrufen ihrer Besatzungen verschwunden. Die Victoria hatte die vielen Leuchten an Deck gelöscht, die den Arbeitern Licht gespendet hatten. Im Morgengrauen hatten sie Segel gesetzt und waren nun im ersten Sonnenschein schon weit vor der Küste Kubas mit Kurs auf die Straße von Yukatan.
Sven hatte Freiwache und würde erst schlafen und es sich dann an Deck gemütlich machen. Heute stand ja kein Dienst auf dem Plan. Aber erst musste er noch seinen Strohhut holen, den er gestern in der vorderen Ladekammer vergessen hatte. Heute Nacht hatte er ihn nicht gebraucht, aber später am Tag.
Er hob die Luke an und kletterte in den Laderaum. Es war ein ganz diffuses Licht. Ihm war, als hätte er etwas gehört, als er in den Laderaum kam. Aber jetzt war alles still. Seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit.
Auf den Fässern oben lag sein Hut nicht. Vielleicht am Boden. Er beugte sich nach unten und suchte vor den Fässern. Nanu, was waren das für Tropfen? War ein Fass undicht? Er tupfte einen Fleck mit dem Finger an. Der war nicht klebrig wie Melasse. Und als er den Finger an das Licht der Luke hob, war er rot.
Sven suchte weiter. Die Tropfen führten zu einem Fass. Dort oben war noch einer. Und am Fass darüber schien es rot verwischt. Er stieg empor. Woher kam der Uringeruch? Er spähte über die Fässer. Dort in der Lücke am Querbalken hockte ein Neger. Seine weißen Augen starrten zu ihm empor.
Sven sprang zurück und griff nach seinem Messer. »Komm raus! Oder du kriegst die Klinge zwischen die
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