Sven Larsson Bd. 1 - Rebell unter Segeln
zum Aussetzen. Sven gehörte zur Besatzung und war nicht sehr froh darüber. Das bedeutete, dass er wieder pudelnass werden würde und nun auch keine trockene Unterwäsche mehr zum Wechseln hatte.
Aber was half es? Die Victoria brasste so back, dass das Wrack in Lee lag und etwas vor den Wellen abgeschirmt wurde. Das Boot erreichte den leckgeschlagenen Kutter, und Sven sah überrascht, dass noch drei Mann an Deck waren. Einer war am Mast festgebunden und anscheinend bewusstlos.
»Ist noch jemand an Bord?«, fragte der Bootsführer.
»Ja, der Alte. Er will nicht von Bord!«, lautete die Antwort.
»Adam und Sven! Holt den Kerl, und helft den anderen ins Boot!«
Die beiden Freunde zogen sich ans Deck des Kutters. Sie banden erst den bewusstlosen Mann vom Mast ab und trugen ihn an die Reling. Mit Hilfe der Bootsbesatzung hievten sie ihn ins Boot. Die beiden anderen brauchten kaum Hilfe und kauerten bald im Boot. Aber nun mussten Adam und Sven unter Deck.
Da saß ein Mann mit grauem Bart und schrie sie an: »Haut ab! Der Kutter ist alles, was ich habe. Ich gehe mit ihm unter!«
Adam trat auf ihn zu und schlug ihn mit einem Kinnhaken bewusstlos, ehe Sven begriff, was er vorhatte.
»Los komm! Pack an, ehe wir hier absaufen. Meinst du, wir hätten Zeit, mit dem Verrückten zu debattieren? Komm!«
Sven packte mit an, und sie schleiften den Mann an die Reling und ließen ihn ins Boot hinunter.
»Was habt ihr mit ihm gemacht?«, rief einer der Fischer.
»Ihn gerettet, oder meinst du, wir sind solche Quasselköppe wie ihr?«, gab Adam zurück und griff seinen Riemen. Sie stießen vom Kutter ab und ruderten zurück.
Als sie die Geretteten an Bord gebracht hatten und selbst wieder an Deck standen, fragte Sven: »Musste das sein, Adam?«
Der sah ihn an. »Ja! Du musst noch eine Menge lernen. Wenn ein Boot so leckgeschlagen ist, kann es jede Minute absacken oder nochStunden treiben. Du weißt es nicht. Aber du musst mit dem Schlimmsten rechnen. Du hast nie überflüssige Zeit in solchen Situationen. Entweder du willst den Mann retten oder du lässt ihn absaufen und machst dir hinterher Gewissensbisse, weil du dir sagst, dass er nur im Augenblick verwirrt war und dich im Augenblick des Ertrinkens schon wieder verfluchte. Ich rette solche Kerle schnell. Wenn sie sterben wollen, können sie es ja morgen tun. Kapierst du das?«
Zwei Tage später standen sie vor der Einfahrt nach Boston. Es war ein schöner Herbsttag. Der Wind war nicht stark, aber stetig. Sven hatte an der linken Hand am Mittelfinger einen Verband, der ihn an das Geschützexerzieren vom gestrigen Tag erinnerte.
Der Obersteuermann hatte sie drei Stunden regelrecht geschunden. »Hier gibt es zwar keine Piraten, aber ihr müden Säcke rostet ja sonst völlig ein!«, hatte er geschimpft und sie immer wieder laden und ausrennen lassen. Dabei hatte Sven seinen Finger zwischen Mündung und Wischerstab schmerzhaft eingeklemmt. Er hatte so geflucht, dass es auch Adam imponierte. »Du wirst ja doch noch ein Seemann«, hatte er gemurmelt.
Adam hatte gut reden. Der alte Mann vom Fischkutter hatte, als er an Bord der Victoria in Sicherheit wieder zu sich kam, seine Meinung radikal geändert und sich für die Rettung immer wieder bedankt. Auch dem Kapitän gegenüber hatte er Adam als helfenden Helden gerühmt. Der hatte Sven nur zugezwinkert.
Jetzt standen sie aber mit Farbtöpfen, Pinseln und Lappen und strichen in der Schiffsmitte die Hütte an. Joshua hatte lamentiert, dass man auf dem Schiff dauernd streichen müsse. Karl hatte ihn belehrt, dass die salzhaltige Seeluft die Farben auch viel mehr angreife als die Landluft.
Plötzlich wies Adam auf eine kleine Insel hin, die sie gerade backbord passierten. »Governors Island«, murmelte er, denn der Bootsmann kam gerade auf sie zu.
Aber der wollte den Neulingen auch etwas beibringen. »Schaut steuerbord voraus. Da liegt ›Noddles Island‹, eine große, flache Insel.Da gibt es nur ein Gehöft und Landwirtschaft. Wenn es nach mir ginge, bekämt ihr nur hier Landgang.« Er zwinkerte so kräftig mit den Augendeckeln, dass alle pflichtschuldigst über den Spaß lachten.
»Der freut sich schon auf seine Stammkneipe heute Abend«, flüsterte Adam, als Mr Cliff weit genug weg war.
»Hat der eine in Boston?«, fragte Sven.
Adam nickte. »In der Marlborough Street. Er hat dort auch eine Kellnerin, mit der er nach Hause geht. Billiger und gesünder als im Puff«, informierte er leise.
Als dann der Befehl kam,
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