Sven Larsson Bd. 1 - Rebell unter Segeln
verführerischen Blicke der Kellnerin.
Überall auf den Straßen trafen sie Rotröcke. Die Zivilisten mieden ihre Nähe und gingen auf die andere Straßenseite. Es war eine feindselige Stimmung. »Das ist ein Scheißnest geworden, dieses Boston«, schimpfte Adam. »Hier kannst du Streit und Feindschaft förmlich riechen.«
Sven erlebte das noch deutlicher an den folgenden Tagen. Der Untersteuermann schickte ihn zum Windmill Point, um dort ein Dokument über die Ladung abzugeben. Sven ließ sich von Joshua begleiten. Dessen gewaltige Kraft schien ihm eine gute Rückversicherung zu sein.
Am Windmill Point war auch eine Zollstation, die von zwei Rotröcken bewacht wurde. Ein Dutzend junger Burschen zwischen zehn und fünfzehn Jahren hatte sich um die Wachtposten versammelt und beschimpfte die Soldaten. »Hummer, Schweine, Wichser, Hurenböcke!« Der Schimpfwortschatz dieser Lausebengel schien unerschöpflich zu sein. Die Soldaten übersahen die Randalierer stoisch.
»Können die Eltern nicht besser auf diese Bengel aufpassen?«, schimpfte Sven.
Joshua hatte es gehört. »Die sind wahrscheinlich schon besoffen.Das ist doch überall dasselbe Gesindel, das bei allen Raufereien zu finden ist.«
Jetzt holten die Bengel auch Tomaten und warfen damit. Einige griffen sich sogar Steine. Nun machten die Soldaten ihre Gewehre bereit und legten an.
»Um Gottes willen!«, rief Sven. »Hört auf, ihr Bengel!« Aber die warfen weiter. Zwei Schüsse krachten. Nun rannten die Burschen weg. Die Soldaten hatten über ihre Köpfe geschossen. Sven atmete erleichtert auf.
Der Kaufmann, dem er später seine Liste übergab, wunderte sich nicht. »Das ist hier alle paar Tage so. Es wird einmal schlimm enden. Aber diese Rowdys findet ihr immer, wenn sich eine Gelegenheit zur Randale bietet.«
Der Untersteuermann hatte noch etwas in einem Büro in der Hannover Street zu erledigen und nahm Sven mit. An der Town Hall sahen sie eine Ansammlung von etwa zwei Dutzend Bürgern. In der Mitte stand ein Mann auf einer Kiste und hielt eine Ansprache. Wortfetzen wie »Freiheit, keine Steuer ohne Volksvertreter, Unterdrückung« klangen zu ihnen herüber.
»Verzeihung, was ist da los?«, fragte Mr Margot einen Passanten.
»Da hält Samuel Adams eine seiner Reden«, antwortete der Bürger gleichmütig und ging weiter.
»Von dem Adams habe ich schon Artikel in der Zeitung gelesen«, sagte der Untersteuermann zu Sven. »Das ist ein Wortführer der Radikalen.«
Sie waren kaum zwei Dutzend Schritte von der Ansammlung entfernt, als eine Streife der britischen Armee um die Ecke bog. Die Ansammlung zerstreute sich, sobald die Soldaten erblickt wurden. Und nun wurden die enteilenden Zuhörer des Samuel Adams von anderen Bürgern beschimpft. Sie würden dem lieben Gott mit ihrem Unsinn die Zeit stehlen, hätten immer etwas zu meckern, seien nichtsnutziges Gesindel und ähnlich.
Mr Margot war erstaunt. »Die sind ja auch untereinander verfeindet.Die einen wollen die Briten aus dem Land haben, die anderen möchten die Protestierer lieber zum Teufel jagen.«
»Sir, bei uns in Philadelphia gibt es auch Feinde und Anhänger der Briten«, wandte Sven ein.
»Ja, wir leben in verrückten Zeiten.«
Diesmal wurde Sven von Mutter und Schwester in Philadelphia am Kai erwartet. Sie winkten ihm zu, und der Kapitän erlaubte Sven, zu ihnen zu gehen, nachdem das Schiff festgemacht hatte.
»Willkommen, mein lieber Sohn. Wie bin ich glücklich, dass du wieder wohlbehalten heimgekehrt bist. Wir wollten in Philadelphia etwas für den Winter kaufen, als wir von der Fähre aus dein Schiff einlaufen sahen. Bleibt ihr diesmal etwas länger?«
»Es werden wohl zwei Wochen werden, weil viel vom Tauwerk erneuert werden muss. Aber ich habe jetzt noch vier Stunden Dienst beim Entladen und den sonstigen Hafenarbeiten. Ich werde auch nicht die ganze Zeit nach Hause können.«
»Hauptsache, wir haben dich wieder für einige Tage. In vier Stunden kommen wir wieder vorbei und sehen, ob du uns begleiten kannst. Grüß Mr Preston und deine Freunde!«
Sven konnte erst einmal drei Tage nach Hause und erzählte daheim von Boston. »Die Stadt liegt schön und hat auch schöne Häuser. Ihr langer Hafenkai ist beeindruckend. Aber diese Atmosphäre von Hass und Feindschaft verleidet einem den Aufenthalt. Ich habe noch nie so viele Rotröcke auf einem Fleck gesehen. Sie werden sehr angefeindet, und sie selbst behandeln die Bürger oft arrogant. Unsere
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