Sven Larsson Bd. 1 - Rebell unter Segeln
Dann müssten die abstimmen, was wir für unsere Verteidigung und Verwaltung zahlen müssen. Doch dann wollen unsere gewählten Vertreter auch über Verteidigung und mehr als die örtliche Verwaltung bestimmen, und da macht London nicht mit. Wie soll man sich dann einigen?«
Mr Bradwick, der sie am nächsten Tag besuchte, hatte darauf eine ganz einfache Antwort: »Die Kolonien müssen unabhängig werden, entweder vollständig oder zumindest in Wirtschaft, Verteidigung und Verwaltung. Londons Vorschriften hemmen inzwischen unseren Handel mehr, als dass sie ihn unterstützen.«
Ingrid verdrehte die Augen, als er gegangen war. »Furchtbar, diese dauernden Reden über Politik, seitdem der Sven da ist. Er könnte mit uns auch mal ein bisschen in Philadelphia bummeln.«
Die Mutter schüttelte den Kopf. »Ingrid, du bist alt genug, um zu wissen, dass die Männer im letzten Jahr immer wieder über Politik reden. Das geht auch uns Frauen an, doch die meisten Männer glauben, wir seien zu dumm dafür. Mr Bradwick hat aber zu Beginn auch gesagt, dass er Gutes über Sven von seinem Kapitän gehört hat. Und darüber können wir uns doch freuen. Damit du deinen Willen hast, bummeln wir morgen ein wenig in Philadelphia, und dann muss unser Sven auch zurück an Bord und ist wieder weit weg.«
Auch diesmal weinte Svens Mutter beim Abschied. Sven fiel die Trennung nicht mehr so schwer. Er wusste nun, wohin er ging und dass dort auch Freunde warteten.
»Na, willst du auch mal wieder deine Heuer verdienen, du Grünschnabel«, flachste Adam, als er an Bord kam.
»Ich hielt es daheim nicht mehr aus und hatte Sehnsucht nach dir«, scherzte Sven zurück.
Adam lachte. »Angeber. Du hast eine so nette Familie und ein schönes Zuhause. Es war schön bei euch. Ich kannte von Gloucester bisher ja nur Gabriel Daveis’ Taverne. Bei euch war es sauberer. Aber nun komm! Wir haben nicht so viel Zeit.«
»Was haben wir diesmal geladen?«, wollte Sven wissen.
»Was man in Philadelphia immer lädt: Mehl. Dann haben wir noch Stabeisen und eine Ladung Holzplanken. Und zurück werden wir Rum bringen. So ist es meistens.«
Für Sven war das Auslaufen nicht mehr so ungewohnt. Aber dass er immer aufpassen musste, wurde ihm schnell klar, als er beim Segelsetzen an der Vormarsrah fast von den Fußpferden abgerutscht wäre.
»Willst du dir den Schädel zerschlagen wie Ben?«, mahnte Adam.
Joshua war eine Stufe tiefer an der Fockrah, aber er stellte sich recht geschickt an.
Svens Kameraden schauten mit ihm, als sie an Gloucester vorbeisegelten. Joshua zeigte: »Da wohnst du!«
Aber bald wurden die Wellen rauer. Sie waren wieder im Atlantik und segelten nordwärts. Der Wind meinte es nicht gut mit ihnen. Er wehte ihnen oft ins Gesicht, und sie mussten gegen ihn ankreuzen. Das war harte Arbeit, aber Sven hatte inzwischen Schwielen an Händen und Füßen. Doch Joshua musste er mit seiner Salbe helfen. Dabei hatte Sven immer naiv gedacht, Schwarze hätten härtere Haut. Aber im täglichen Umgang mit Joshua musste er so manches Vorurteil korrigieren.
Joshua litt wie er damals, als ein Sturm sie vor der Küste von New York beutelte. Vor New York war es auch, dass sie ein anderes Schiff in der Nacht fast gerammt hätten.
Plötzlich kam ein großer Schatten auf die Victoria zu. Der Ausguck brüllte seine Warnung hinaus, der Rudergänger kurbelte das Ruder mit aller Kraft herum, der wachhabende Untersteuermann rief alle Mann an Deck.
Sven rannte dürftig bekleidet den Niedergang hinauf, aber er sah den fremden Schatten nicht mehr.
»Es war eine Brigantine, Mr Preston«, berichtete der Untersteuermann. »Sie führte keine Positionslampen. Ich vermutete, sie war britisch, nach dem, was ich in der Eile sehen konnte.«
»Schade, dass wir ihr keine Kanonenkugel in den Rumpf schießen konnten«, brabbelte Karl. »Das ist doch ein Verbrechen, so durch die Nacht zu gurken!«
Sven griente in sich hinein. Er wusste, wie ungern Karl sich aus dem Schlaf reißen ließ.
Die Nacht versank im Westen, und die Sonne stieg im Osten empor. Die sinkende Nacht verbarg aber auch die Anzeichen eines heranziehenden Sturms.
»Pennt ihr alle?«, rief auf einmal der Bootsmann. »Sieht keiner die Wolken im Osten? Alle Mann an Deck, aber Tempo!«
Er pfiff und schrie. Auch der Kapitän erschien mit seinen Offizieren. Er schaute sich um, bestätigte den Bootsmann: »Machen Sie weiter, Mr Cliff!«, und zum Obersteuermann sagte er: »Wir haben genug
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