Sven Larsson Bd. 2 - Unter der Flagge der Freiheit
Herrchens.
Sven und Mr Harvy sprachen über den Ausbildungsstand der Mannschaft. Sie waren beide zufrieden mit dem, was in den letzten drei Wochen erreicht worden war. Allerdings hatten sie auch nur wenige Landratten an Bord.
»Wir müssen morgen wieder Scharfschießen üben, Mr Harvy«, sagte Sven. »Sie sind im Tempo besser als in der Treffgenauigkeit.«
»Aber so gut wie der Durchschnitt sind sie schon, Sir. Wir schrauben unsere Ansprüche vielleicht auch darum höher, weil wir im Bootsmann so einen ungewöhnlichen Scharfschützen haben.«
»Da mag etwas dran sein. Übrigens, vergessen Sie bitte nicht, dass wir heute oder morgen überraschend Feueralarm proben müssen. Offiziere und Marinesoldaten müssen bereitstehen, weil immer einige nur sich in Sicherheit bringen wollen.«
Mr Harvy tippte an seinen Kopf. »Schon notiert, Sir. Habe ich Ihnen schon von meinem Gespräch mit dem Schiffsarzt berichtet?«
Sven verneinte, und der Erste erzählte, dass der Schiffsarzt seinen Beinstumpf untersucht habe. »Er berichtete, dass man in Europa künstliche Glieder anfertigt, auch Füße. Sie sind wie ein Schuh, aber vorne sind Stahlfedern eingezogen, damit auch diese Prothese etwas abrollt. Er meint, er würde sich, wenn wir Lissabon oder Bordeaux anlaufen, bei seinen Kollegen erkundigen.«
»Das wäre ja wunderbar. Ich habe auch sonst einen guten Eindruck von unserem Arzt. Er kümmert sich um die Mannschaften.«
Mr Harvy stimmte ihm zu. »Er ist gebürtiger Sachse, Sir, er hat in Leipzig studiert. Dann ist er nach Rhode Island ausgewandert.«
Der Feueralarm wurde nicht die Katastrophe, die Sven schon manchmal erlebt und auch jetzt befürchtet hatte. Als das Signal erscholl, war es der Maat Albus, der den Unschlüssigen Mut machte, als er laut rief: »Her mit dem Wasser, sonst muss ich das Feuer noch auspinkeln!«
Aber ein Maat und zwei Matrosen gerieten so in Panik, dass sie ein Boot zu Wasser bringen wollten und keinem Befehl gehorchten, bis die Seesoldaten sie mit ihren Bajonetten bedrohten.
»Das ist ja besser gelaufen, als ich befürchtet habe. Die drei Versager werde ich zu je einem Dutzend Hieben verurteilen und den Maat degradieren. Empfehlen Sie mir bitte einen Nachfolger, Mr Harvy.«
Am Abend hatte Sven seine Offiziere sowie den Master und den Schiffsarzt zum Essen eingeladen. Nur Mr Flinders musste fernbleiben, weil er Wache hatte. Mr Bergson sollte ihn aber nach zwei Stunden ablösen.
Svens Koch war genau wie sein Schreiber aus dem Schuldgefängnis aufs Schiff gekommen. Tony Food, wie der Koch sinnigerweise hieß, hatte sich von einem Gast überreden lassen, mit ihm ein eigenes Restaurant zu gründen. Der Gast wollte das Kapital beisteuern, Tony sollte seine Kompetenz einbringen. Aber aus Unkenntnis unterzeichnete Tony auch, dass er für die Hälfte des Kapitals bürgte. Als der Gast andere ertragreiche Geschäfte witterte, zog er sein Geld ab und verschwand. Tony saß mit allen Schulden da und musste ins Schuldgefängnis.
Er war vielleicht nicht sehr klug und nicht vorsichtig genug, aber er kochte wunderbar. Er kochte die Erbsensuppe, wie Sven sie von seiner Mutter kannte, und er setzte ihm Speisen vor, deren französische oder spanische Namen Sven nie gehört hatte, die aber schmeckten, als habe er so etwas schon immer essen wollen. Sven hatte nur die eine Sorge, dass er zu stark zunehmen würde.
Sein Schreiber, Nathaniel »Nat« Zander, war ehemaliger Leiter des Schreibbüros bei einem Kreisamt gewesen und durch eigene Schuld im Gefängnis gelandet. Er hatte sich von reichen Kaufleuten zum Kartenspiel verleiten lassen und so viel verloren, dass er ins Gefängnis musste. Für ihn sprach, dass er es abgelehnt hatte, seine Schuldendurch dienstliche Gefälligkeiten abzuzahlen. Und er beherrschte Kurzschrift und schrieb gestochen schön.
Nähere Bekanntschaft hatten die beiden, außer mit Sven und seinem »Stab«, bisher nur mit dem Schiffsarzt gemacht, dem sie bei Gefechtsbereitschaft im Lazarett helfen sollten. Der »Kampfplatz« unter Deck war den beiden wohl sehr recht. Sven hatte nicht den Eindruck, dass sie besonders erpicht darauf waren, sich im Kugelhagel zu bewähren.
Es war eine angenehme Tafelrunde in der Kapitänskajüte. Mr Harvy, der Erste Leutnant, brachte sie mit seinem trockenen Witz immer wieder zum Lachen. Dr. Albert Bader, der Schiffsarzt, kannte eine Unmenge von Anekdoten. Die Freude beim Zuhören wurde nur dadurch beeinträchtigt, dass sein Englisch immer noch
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