Sven Larsson Bd. 2 - Unter der Flagge der Freiheit
durch einen sächsischen Dialekt gefärbt war und man genau zuhören musste.
Sein bester Zuhörer war wohl Mr George White, der Master, ein rundlicher Mann von etwa fünfundvierzig Jahren, der Älteste in der Runde. Sven hatte ihn nie etwas außerhalb seines Fachgebietes sagen hören. Er hatte die ganze Welt besegelt, kannte das Mittelmeer so gut wie den Indischen Ozean, die Südsee so gut wie die Ostsee. Er liebte die Navigation nach Sternen, aber er tauschte sich auch gern mit Sven in der Wettervorhersage und in der Anwendung des Sextanten aus. Und wenn man ihn danach fragte, konnte er über die besten Bordelle in Rio de Janeiro so gut Auskunft geben wie über die in St. Petersburg oder Genua.
Als Mr Flinders dann Leutnant Bergson ablöste, begeisterte er sich zunächst an dem zarten Rostbraten, der wunderbaren Soße und den schmackhaften Gemüsen, wollte bei der Mousse au Chocolat fast vergehen, fasste sich aber dann bald wieder und lieferte sich einen Schlagabtausch mit Mr Harvy über die Politik des Kongresses.
Es gab kaum größere Gegensätze als den extrovertierten, eloquenten Mr Flinders und den introvertierten, wortkargen Mr White, den Master. Und doch kamen sie beide recht gut miteinander aus, wie Sven wusste. Grund war der gegenseitige Respekt vor den fachlichenQualitäten des anderen. Mr Flinders war ein Seemann mit ausgezeichneter Intuition und ein hervorragender Fechter und sehr guter Schütze.
Und alle respektierten Sven wegen seiner Kampferfahrung, seiner Begabung in der Menschenführung, seiner Fairness und seiner Kenntnisse in der Waffenausbildung der Mannschaften.
»Es war wieder ein schöner Abend, und ich danke dir, Martin, und deinem Freund aus der Messe, dass ihr uns so gut versorgt habt«, sagte Sven, als er sich in seine Schlafkammer zurückzog.
»Erlauben Sie mir bitte die Bemerkung, Sir, dass ich auf noch keinem Schiff eine so harmonische Messe erlebt habe«, ergänzte Mr Harvy.
Er hat recht, dachte Sven, bevor er einschlief. Sie passen gut zueinander und mögen sich auch alle irgendwie.
»Drittes Geschütz: Feuer!«, brüllte Mr Flinders beim Scharfschießen am nächsten Vormittag. »Dicht daneben ist auch vorbei!«, lachte er gleich darauf. »Da hat euer Richtkanonier wieder geschielt. Knallt ihm doch mal eine auf die linke Backe, dass sein Auge nach rechts rutscht. Dann trifft er!«
»Viertes Geschütz: Feuer!« Die Kugel schlug durch die Scheibe aus Segeltuch. »Bravo! Es geht doch!«
Die Liberty hatte 28 Achtzehnpfünder an den Breitseiten und vier Sechspfünder auf Vor- und Achterdeck. Sie war eine der neuen schwerer bestückten Fregatten, denn die Standardkanone war in früheren Jahren auf Fregatten der Zwölfpfünder gewesen. Achtzehnpfünder konnten schwere Schäden beim Gegner anrichten, wenn sie trafen. Sven legte besonderen Wert auf die Treffsicherheit bei 400 Metern. Die in der britischen Flotte beliebte Praxis, sich dicht neben den Gegner zu legen und möglichst schnell draufzuballern, hielt er schlicht für dumm. Er wollte den Gegner aussegeln und längsseits bestreichen. Dann musste man auch auf Entfernung treffen.
Sven war in seine Kajüte zurückgekehrt. Rocky hatte sich auf sein Lager gelegt. Nun stand Sven einen Moment da und überlegte, ob er vor dem Essen noch an seinem Brief für Sabrina schreiben sollte. Seine Augen wanderten unwillkürlich durch den Raum. Er lächelte, weil er sich wieder einmal über die Einrichtung freute.
Der Tischler aus der Werft hatte ausgezeichnete Arbeit geleistet. Der Raum wirkte gediegen und doch schlicht. Er war so ganz anders als die protzigen, überladenen Kajüten, die Sven auch schon gesehen hatte. Der Tischler hatte wertvolles Holz in schlichten Linien verarbeitet und damit den Effekt erzielt. Heute Nachmittag würden seine Offiziere wieder an dem langen Tisch sitzen. Diesmal würde er nicht zum festlichen Bankett gedeckt sein, sondern mit schlichter Decke und Akten wie der ideale Konferenztisch wirken.
Nun ja. Sven schüttelte den Kopf. Früher wäre ihm so etwas gar nicht aufgefallen. Das war Sabrinas Einfluss.
Während er vor seinem Teller saß, dachte Sven an die Besprechung. Er musste die Offiziere darüber orientieren, dass sie planmäßig in den nächsten beiden Tagen eine amerikanische Fregatte treffen und mit ihr dann dem großen Westindien-Konvoi auflauern sollten, der in diesen Tagen nach England segeln würde.
Die Briten stellten jetzt Konvois von hundert und mehr Schiffen zusammen,
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