Sven Larsson Bd. 2 - Unter der Flagge der Freiheit
direkt vor mir, wie er mit seinen dreizehn Jahren tot an Deck lag, so ein hoffnungsvoller Bursche. Früher haben wir uns verteidigt gegen Piraten oder wir haben geschossen, wenn sich eine Prise nicht ergab. Aber jetzt habe ich einen Auftrag, der auf Kampf aus ist. Ich soll den Feind suchen und bekämpfen, soll Menschen in den Tod führen. Alles andere ist nur noch Beiwerk. Ich weiß nicht, ob ich das auf Dauer kann. Wie geht es dir?«
Karl sah seinem Freund in die Augen. »Als ich sah, wie Walter Berg starb, wie er in die Leinwand eingenäht und über Bord gegeben wurde, da fühlte ich mich hundeelend. Aber dann habe ich mich gefragt, wofür er gefallen ist. Damit junge Menschen wie er ohne britische Bevormundung aufwachsen können. Damit sie ihre Meinung sagen können, ohne Schikane zu befürchten. Damit wir alle über uns selbst bestimmen können. Sag nicht, dass die britische Herrschaft ihn nicht gestört hätte. Sobald er Dinge getan hätte, die England uns nicht erlaubte, ob er nun Maschinen gebaut oder unverzollten Tee gekauft hätte, wäre er in Schwierigkeiten gekommen. Ich würde auch dafür mein Leben geben, damit wir selbst über unser Tun bestimmen können.«
»Werden wir das jemals können? Werden nicht immer andere da sein, die uns dies erlauben und jenes verbieten?«, fragte Sven.
»Aber die das entscheiden, will ich mit wählen. Und wenn sie es nicht so machen, wie ich erwarte, dann will ich dazu aufrufen dürfen, sie nicht mehr zu wählen. Ob meine Chance dann groß oder klein ist, ich habe jedenfalls eine. Walter Berg hatte sie nicht.«
»Du hast gute Argumente, Karl. Ich werde darüber nachdenken. Aber jetzt müssen wir die Mannschaften drillen, damit sie schneller und genauer schießen.«Sie schossen jeden Tag schneller und trafen genauer. »Wo haben wir bloß das Pulver her für die vielen Übungsschüsse? Er muss doch abrechnen«, fragte Midshipman Henri seinen Freund.
»Hast du nicht mitgekriegt, wie er Fässer von der Bristol überladen ließ, als wir für die Reparaturen Bord an Bord lagen?«
»Nein, da bin ich in den feindlichen Schlafräumen rumgekrochen und habe nach versteckten Waffen gesucht.«
Und dann sahen sie während der Morgenwache den gesuchten Frachter, eine große Dreimastbark. Die frühe Sonne strahlte ihn an.
»Gut sieht sie aus, unsere Prise«, raunte Mr Trumbull zu Mr Pendleton.
»Nun musst du nur noch beten, dass sie nicht vollgestopft ist mit britischen Soldaten. Das wäre auch ein Grund für ein Einzelgeleit und wir könnten uns die Zähne ausbeißen.«
»Wie kann man bloß ein solcher Miesepeter sein?«
Sven ordnete an, dass alle Kanonen mit zwei Kugeln zu laden und dann an der Bordwand zu vertäuen seien. Seesoldaten mussten sich mit den wenigen roten Jacken kostümieren, die sie an Bord hatten. Die Signale und Flaggen waren vorzubereiten. Alle Maate sprachen noch einmal mit den Männern ihre Aufgaben durch. Die Enterkommandos legten ihre Waffen bereit.
Sven studierte die Beute durch das Teleskop. Die Bark hatte die Segel eingeschlagen und lag vor Anker. Die Inseln von Grand Bahama waren noch klar erkennbar.
»Wir müssen sie erst ein wenig von den Inseln weglotsen«, sagte er halb zu sich, halb zu Mr Adams, der in seiner Nähe stand. »Ich werde unser Geheimsignal setzen lassen und sie dann auffordern, Segel zu setzen und uns zum Konvoi zu folgen.«
Der Master nickte. »Der Kapitän wird sich wundern, weil er nichts vom Konvoi weiß, aber wahrscheinlich wird er folgen. Doch er wirdsich fragen, warum er nicht an Bord gebeten wird, um ihm alles zu erklären.«
Sven biss sich auf die Lippen. Verdammt! Der Master hatte recht. Warum hatte er das nicht richtig überlegt? War er so sicher gewesen, weil er den Treffpunkt und das Geheimsignal kannte? Dann kam ihm ein Gedanke, und er rief Mr Trumbull.
»Haben wir nicht eine Offiziersuniform der Seesoldaten an Bord?«
»Ja, Sir. Wir haben eine auf der Bristol erbeutet. Ich wollte sie gerade anziehen, um die Täuschung zu verstärken.«
»Haben Sie nicht auch als Seesoldat auf einem britischen Schiff gedient?«
»Nein, Sir. Ich bin mit den Highlanders in die Kolonien gekommen und bei Ausbruch der Revolution übergelaufen.«
»Nun, dann kennen Sie auf jeden Fall die britischen Gewohnheiten, Mr Trumbull. Ich habe für Sie einen Auftrag.« Und er nahm den Leutnant zur Seite, redete lebhaft auf ihn ein und zeigte auf die Bark. Mr Trumbull hatte nur wenige Rückfragen, rief einen seiner Soldaten und rannte
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