Sweetgrass - das Herz der Erde
Gott sei Dank, sage ich. Zum Teufel mit diesem Stück Land!”
“Das meinst du nicht wirklich ernst.” Prestons Stimme klang tief und heiser.
Mama June sah eine ganze Weile über die Landschaft, die sie seit fast fünf Jahrzehnten ihr Zuhause nannte. In der Ferne schoben sich die zerrissenen Wolken wie ein Vorhang zusammen. Dann sah sie ihren Mann an und hielt seinem Blick stand.
“Doch, das tue ich. Seit ich meinen Fuß auf diese Erde gesetzt habe, hat mir dieses Land nichts als tiefsten Kummer gebracht.”
Auge in Auge standen sie einander gegenüber und erinnerten sich schweigend an die Erlebnisse vergangener Jahre, die durch Mama Junes Worte mit einem Mal einen bitteren Beigeschmack bekommen hatten.
Und dann brach um sie herum der Sturm los. Dicke Regentropfen prasselten auf den ausgedörrten Boden, und der Regen wurde immer dichter und lauter. Mit jedem Windstoß wogten die Gräser und erzitterten. Und dann öffneten sich die Wolken, und der Himmel weinte. Die Veranda konnte sie gegen solche Wassermassen nicht schützen, und beide spürten, wie der Regen ihnen ins Gesicht peitschte.
Mama June bezweifelte, dass der Regen die Tränen verbarg, die unentwegt über ihre Wange rannen. Aber Preston rührte sich nicht, um sie zu trösten oder ein Wort des Zorns oder der Versöhnung zu äußern. Sie ließ die Schultern sinken und flüchtete ins Haus.
Preston blieb wie ein Fels in der Brandung stehen und sah sie davongehen. Er bewegte sich nicht, als er ihre Schritte auf der Treppe hörte, und wusste, dass sie in ihr Schlafzimmer ging. Sie würde sich wahrscheinlich für Stunden einschließen, womöglich sogar für den Rest des Abends, und ihn nicht an sich heranlassen.
So wie immer.
Er würde ihr nicht nachgehen. Er würde nicht versuchen, mit ihr zu reden, weil nur wieder die Vergangenheit hochkommen würde. Das konnte sie nicht ertragen – und er war sich selbst nicht mehr sicher, ob er das noch konnte. Außerdem musste er befürchten, dass sie sich weiter zurückziehen würde, an einen Ort, wo er sie noch weniger erreichen konnte als in ihrem Schlafzimmer.
Er legte die Hände auf die Hüften und ließ seinen Kopf sinken. “Mary June …” Er seufzte tief, als ihm der Name über die Lippen kam. Er war wütend geworden, und das bedauerte er jetzt. Sie war empfindlich, sobald es um Familienangelegenheiten ging. Preston hatte schlechte Nachrichten deshalb vor ihr geheim gehalten, wenn es ging. Aber dies hier … Er zerknüllte die Papiere in seiner Faust. Diesmal war es einfach zu dick gekommen. Das konnte er nicht alleine durchstehen. Verflucht noch mal, er musste diese Last mit jemandem teilen – und mit wem, wenn nicht mit der eigenen Frau? Sie war schließlich seine Frau, oder?
Er schaute ein letztes Mal zu ihrem Zimmer hinauf, in dem sie weinend lag, und fühlte einen plötzlichen Schmerz, der wie ein Blitz direkt durch sein Herz jagte.
“Zur Hölle damit!”, brüllte er und warf die verfluchten Papiere hinaus in den tobenden Sturm.
Der Wind nahm die Zettel als Beute und trug sie rascher zu den Sümpfen als ein Rundschwanzsperber. Sie verfingen sich in den niedrigen Gräsern, wo der Regen auf sie niederprasselte. Immer schwärzer wurde der Himmel, den grelle Blitze kurzzeitig erhellten, aber als ein grollender Donner ertönte, war Preston bereits ins Haus gegangen, auf der Suche nach einem Schluck Brandy.
Auf seinem Weg vom Festland aufs Meer hinaus blieb der Sturm nicht lange, und bald war die Luft wieder frisch, und die Pastellfarben des Sonnenuntergangs wurden zu einem kräftigen Ocker. Mit feuchten Sachen saß Preston auf der kühlen Veranda und starrte in den purpurnen Himmel, während der Brandy seine Wirkung tat. Normalerweise leistete ihm Mama June in ihrem Schaukelstuhl ebenso ruhige wie angenehme Gesellschaft, aber diesmal vermisste er sie schmerzlich.
“Wenigstens du hältst noch zu mir, was, mein Junge?”, sagte er und streckte den Arm aus, um seinen schwarzen Labrador zu streicheln, der zusammengerollt zu seinen Füßen lag. Blackjack hatte sich auf die Veranda geschlichen, sobald Mama June gegangen war, und sah Preston aus seinen dunklen sanften Augen hingebungsvoll an, während sein Schwanz mitfühlend auf den Holzboden klopfte. “Guter alter Blackjack.”
Mit einem schweren Seufzen wanderte Prestons Blick zur untergehenden Sonne. In den vergangenen Jahren hatte er diese letzten Stunden des Tages lieb gewonnen, wenn er friedlich im Schaukelstuhl saß und zusah, wie die Sonne
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