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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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der Chevy war unbeirrbar über die Straßen getuckert wie ein Hund, der zu seinem warmen Zuhause trottete. So etwas wird heute gar nicht mehr gebaut, dachte er und gab dem verdienten grauen Kasten einen respektvollen Klaps. Er hatte ihn gekauft, als er einundzwanzig war, und aus lauter Stolz jede Menge Geld hineingesteckt. Eine Anhängerkupplung, eine Winde mit Aufspulvorrichtung, einen Werkzeugkasten und natürlich eine wattstarke Stereoanlage. Damals brannte ihm jeder Cent ein Loch in die Hosentasche. Doch er träumte vom großen Abenteuer und hatte genug Wut und Aufbegehren in sich, um seinen eigenen amerikanischen Traum immer wieder anzuheizen. Er hatte genau diese Straße genommen, hatte das Gaspedal voll durchgetreten und sich kein einziges Mal umgedreht.
    Es war eine lange beschwerliche Reise gewesen. Jetzt, Jahre später, waren seine Reifen abgefahren und die Lautsprecher längst kaputt. Vor der Abfahrt in Montana hatte er seine spärlichen Ersparnisse eingesteckt – gerade genug für die Fahrt nach Hause.
    Nach Hause
. Morgan betrachtete die undurchdringliche Wand von Büschen und Bäumen, die das Familienanwesen vor neugierigen Blicken Vorbeifahrender auf der Route 17 schützte. Ein heruntergekommener Graben verlief entlang der Straße – wie ein Burggraben, dachte er und kickte missmutig ein paar Kieselsteine weg. Er lief zum Tor und öffnete es, und kurz darauf fuhr er auf den Besitz seiner Familie.
    Das Sonnenlicht fiel auf die Straße, als er seinen Wagen langsam den Weg entlangsteuerte. In den Bäumen rundherum begrüßten Vögel und Eichhörnchen lautstark den beginnenden Tag, und eine erschrockene Wachtel flog kreischend auf. An jeder Biegung brachte eine neue Ansicht Erinnerungen zurück, die er lange Zeit verdrängt hatte. Er sah die kläglichen Überreste der Räucherei, in der zur Kolonialzeit das Fleisch haltbar gemacht wurde. Nur ein Stück weiter lagen an einem unterirdischen Wasserlauf die Fundamente der ehemaligen Molkerei. Im kalten Wasser waren damals Milch und Käse gekühlt worden. Dort hatten die Kinder der Blakelys besonders gerne gespielt.
    Noch weiter in Richtung des westlichen Endes lag ein großer Obstgarten mit Pfirsichbäumen. Morgan wurde unwohl angesichts des schlechten Zustandes der einstmals makellos gepflegten Felder. Noch ein Stück die Straße hinauf lag hinter den Bäumen eine große Lichtung mit gemähtem Gras, auf der sich die Gemeinde an Sonntagen zum Picknick mit Truthahnspießen und gegrillten Austern oder anderen Anlässen traf.
    Als er die letzte lange Kurve nahm, musste er anhalten. Unter ihm tuckerte der Motor, als er sich nach vorn auf das Lenkrad lehnte. Das plötzliche Gefühl von Heimweh, das der Anblick in ihm auslöste, überraschte ihn.
    Vor ihm im Dunst des anbrechenden Tages erstreckte sich die eigentliche Auffahrt zu seinem Elternhaus. Massive Lebenseichen mit Moosbewuchs säumten die Schotterstraße. Mit ihren tief hängenden Ästen wirkten sie wie Wächter aus einer fernen besseren Zeit. Wenn der Straßengraben der Festungswall dieses Königreiches ist, überlegte er, dann sind diese edlen Eichen seine Ritter.
    Am Ende der langen Allee erwartete ihn das Plantagenhaus im typischen Kolonialstil wie eine reizende Südstaatenschönheit – zierlich, hübsch und Wärme verheißend. Sein Vater hatte dieses Haus immer geliebt wie eine Frau – seine schlanken weißen Säulen, das tief heruntergezogene holländische Walmdach, die eleganten Bögen der Mansardenfenster mit ihren hübschen Scheiben. Das Fundament war aus Backstein und festem Kalkstein, gebaut für Generationen.
    Und die hatte es auch überstanden. Das Haus hatte zwei Jahrhunderte mit Stürmen, Kriegen, Tragödien und anderen Unbilden hinter sich gebracht, es war geradezu unverwüstlich. Ein Haus mit Stehvermögen, so hatte es sein Vater oft liebevoll bezeichnet.
    Plötzlich ging die Haustür auf, und eine zarte Frau mit Haaren so weiß wie die Fassade trat auf die Schwelle. Sie trug einen hellblauen Morgenmantel, den sie mit fröstelnden Fingern unter dem Kinn zusammenhielt. Morgan schluckte schwer, als er sie da stehen sah. Wieso war ihm nie aufgefallen, dass seine Mutter diesem Haus so sehr ähnelte? Ob seinem Vater derselbe Vergleich unzählige Male in den Sinn gekommen war?
    Morgan nahm langsam die letzte Kurve und hielt vor dem Haus an. Blackjack jagte um die Ecke von der Veranda und sprang die Stufen herunter, den Schwanz in die Höhe gereckt und laut bellend. Morgan stellte den Motor

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