Sydney Bridge Upside Down
nachgeschlichen, bei Mondschein. Ich habe mich an das Haus von Dibs gedrückt und gewartet, und der Grund, warum ich gerade dort gewartet habe, war, dass ich immer noch nicht recht verstanden habe, was sie gemeint hat, als sie sagte, dass Dibs diese ekelige Angewohnheiten hat. Vielleicht kann ich was herausfinden, dachte ich, während ich auf Susan warte. Als ich dann sah, was er im Mondschein auf der Veranda machte, war natürlich alles klar. Kurz nachdem das Drecksschwein fertig war, kam Susan über ihren Trampelpfad und ging zur Straße. Ich wartete eine Weile, dann schlich ich ihr hinterher, hierhin kam sie, hier in die Fabrik. Sie ging aber nicht rauf, nicht mal in den ersten Stock, sie wagte sich nicht mal bis zur Treppe. Sie saß bloß auf den Betonstufen am Eingang, ließ sich vom Mond bescheinen, das war alles. Ich stand hinter der Ofenhütte und beobachtete sie, ich hörte die Frösche im Moor und ganz weit weg die Wellen, die an den Felsen brandeten, an die komische Treppe. Keine Ahnung, was Susan Prosser gerade dachte, sie saß einfach dort im Mondlicht und starrte vor sich hin. Ich hätte sie rufen können. Ich hätte zusehen können, wie sie aufgesprungen und fortgerannt wäre. Ich hätte sie jagen können. Ich hätte ihr eine solche Angst einjagen können, dass sie es niemals gewagt hätte, meiner Mutter zu schreiben. Habe ich aber nicht. Ich habe einfach dort im Mondlicht gewartet und sie beobachtet. Ich wünschte mir, Mrs Kelly, die immer über alles Bescheid wusste, würde ihr nicht verraten, dass meine Mutter sich noch gar nicht entschieden hat, wie lange sie in der Stadt bleiben will. Papa war ganz schön erstaunt, dass Mutter in ihrem letzten Brief nicht mal erwähnt hat, wie sehr sie uns vermisst, dass sie sich vielleicht auf uns freut, sie hat nicht mal gefragt, ob wir genug Ingwerbrause haben, offenbar genießt sie die Stadt, sie scheint überhaupt keine Eile zu haben, nach Hause zu kommen, aber spätestens wenn die Schule anfängt, kommt sie heim, Mütter kommen immer spätestens zum Schulanfang wieder heim. Wenn es nach Papa geht, kann sie ruhig noch ein oder zwei Wochen fortbleiben, er hat ja nicht mal angefangen, das Haus zu streichen, ich weiß, dass er wenigstens einen Anfang machen will, bevor sie nach Hause kommt. Wie auch immer, liebe Caroline, das waren so die Dinge, die mir durch den Kopf gingen, als ich Susan Prosser am Eingang des Schlachthofs beobachtete. Wehe, du schreibst meiner Mutter, habe ich immer wieder gedacht, und dann: Bitte, Susan, bitte schreib ihr nicht, ich verspreche dir meine ewige Freundschaft, wenn du es lässt, ich werde dich immer in Schutz nehmen, wenn die anderen Kinder dich ärgern, ich werde dir Komplimente machen, auch wenn du mager bist und die Nase überall hineinsteckst, und wenn jemand sagt, du hast einen Knall, kriegt er es mit mir zu tun. Sie ging schließlich nach Hause, ich folgte ihr in einiger Entfernung. Ich weiß nicht, ob es was gebracht hat, ihr hinterherzugehen, wohl eher nicht, ich mache mir nämlich immer noch Sorgen wegen ihr.) Ich höre noch die Hufe, ich laufe die Treppe hoch, ich weiß jetzt, dass ich es nicht nach oben schaffe, bis Sydney Bridge Upside Down das Fabrikgelände erreicht hat. Ich bin nicht schnell genug gewesen, Sydney Bridge Upside Down ist mir auf den Fersen, gleich hat er mich, gleich zertrampelt er mich. Der Lärm der Hufe jetzt, und ein weiteres Geräusch, das Rollo klappert, doch das andere Geräusch ist fernes Donnergrollen, denke ich, ein kleiner Wolkenbruch, ein Sommergewitter, das kommt und geht, aber dieses Geräusch ist etwas anderes, es ist schärfer, schneller, das kann kein Donner sein, ich muss aufgewacht sein, ich sitze ja aufrecht im Bett, neben mir liegt Cal, er atmet laut, das Rollo rattert, ich suche immer noch nach der Quelle des anderen Geräuschs, der anderen Geräusche, jetzt höre ich Schritte, Laufschritte, eine Krücke, die hart aufsetzt auf den Dielen, eine krachende Peitsche, all diese Geräusche und der Wind, der die Rollos klappern lässt, ein Seufzen vorn im Haus, ein Wimmern, dann schreit jemand, und ich wache auf, ich bin jetzt wach, oder?, ich höre Cals Atem und das klappernde Rollo, dann hört plötzlich beides auf, das Rollo, und Cals Atem, es ist ganz still im Haus, kein Ton, ich bin nicht wach, bestimmt nicht, ich schlafe oder ich bin tot. Ein dünnes Klappern jetzt von weit her, ich höre die Hufe, ich renne wieder, das Klappern wird lauter, kommt immer näher, Sydney Bridge
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