Sydney Bridge Upside Down
mit der Peitsche gejagt, und ich dachte, ich gehe ihm lieber aus dem Weg, obwohl er seinen Zorn immer sehr schnell vergaß. Diesmal hatte er Pech, denn ich holte mir eine Lungenentzündung. Ich hatte mich nicht untergestellt. Ich hätte in einem der Verliese warten können oder auf einer der Schlachtetagen, vielleicht sogar unten im Hof, wo es einen Ofen gibt, in dem früher die Schlachtabfälle verbrannt wurden, die Augen und Ohren, irgendwelche Stücke mit Haaren. Es ist nicht ganz leicht, sich in der Ofenhütte zu verstecken, die Türen sind zugerostet, es gibt nur noch einen Weg hinein. Man muss sich von oben durch ein Loch herablassen, man landet auf einem Boden aus rußschwarzen Backsteinen. Wenn man kein Seil oben befestigt hat, gibt es keinen Weg heraus. Wenn man es vergisst, und niemand kommt vorbei, der einem ein Seil herablässt, kommt man nie wieder nach oben, es hilft auch nichts, zu rufen, die Mauern sind unglaublich dick, das Loch in der Decke ist klein. Man könnte also darin sterben. Einmal habe ich mir einen Spaß gemacht, ich habe Dibs überredet, reinzuspringen, ich erklärte ihm, dass ich ihn ganz einfach herausziehen könnte, wenn ich seine Hand zu fassen bekäme, dabei wusste ich, dass das unmöglich war. Er musste unten warten, bis ich ein Seil besorgt hatte, was bestimmt eine Stunde dauerte. Dibs hat später erzählt, wie furchtbar es war, dort unten zu warten, er meinte, es sei ihm viel, viel länger vorgekommen als eine Stunde. Und er hatte gefroren, obwohl es eigentlich ein schöner Tag war und er ein Stück blauen Himmel durch das Loch sehen konnte, es war still und unheimlich dort, er hatte das Gefühl, lebendig begraben zu sein. Er wollte sogar schreien, aber als er es versuchte, merkte er, dass nichts kam. Seine Stimme hatte ihn verlassen, sie war wie ausgetrocknet. Er meinte, er würde nie wieder in die Ofenhütte klettern, egal, wie oft ich ihm verspräche, ihn rauszuholen, er vertraute mir nicht mehr. Ich sagte nur, er könne froh sein, dass der Ofen nicht an gewesen sei, wegen der Schlachtabfälle, die dann schubkarrenweise von oben auf ihn hinuntergeplatscht und gleich in Flammen aufgegangen wären. Ich kann nichts dafür, dass es dir da unten nicht gefallen hat, sagte ich. Niemand hat dich gezwungen reinzuspringen. Vielleicht ist es am besten, wenn du nächstes Mal einfach nicht mehr mitkommst. Er sagte nur, ein nächstes Mal würde es eh nicht geben, nicht für ihn. Er meinte, ich könne ja mal Cal dazu bringen, runterzuspringen, einfach nur um zu sehen, ob es ihm vielleicht besser gefällt. Aber das ging nicht, so einen Schrecken durfte ich Cal nicht einjagen. Ich weiß schon, er kann sehr nervig sein, und manchmal muss ich mit ihm schimpfen und ihn mit irgendwelchen Sachen bewerfen, aber so einen Schrecken würde ich ihm nicht einjagen, er würde ihn vielleicht nicht überleben. Es ist besser, einen Bruder zu haben als keinen, ich kann ihm Sachen erzählen, ob er mir zuhört oder ob er mich versteht, ist dabei gar nicht so wichtig. Wichtig ist doch nur, dass ich nicht mit meinen Gedanken allein bin, dass ich nicht immer nur vor mich hin brüten, mir Sorgen machen muss. Ich habe jemanden zum Reden. Deshalb ist es mir egal, wenn er die Rutsche hochklettert, obwohl Papa das strengstens verboten hat, er klettert sehr gut, wie ein Eichhörnchen, er fällt schon nicht runter. Wenn wir ganz oben sind, zeige ich dir, wo er gleich den Kopf rausstreckt, er kommt immer über die Rutsche, nicht wie ich, ich nehme die Treppe, kann sein, dass die Rutsche, wenn ich zu oft hinaufklettern würde, irgendwann zusammenkracht. Runter ist es nicht schlimm, es geht so schnell, dass die Rutsche gar keine Zeit hat, zusammenzukrachen. Mach das trotzdem nicht, Caroline, wer da hinuntersausen will, sollte schon eine Hose tragen. Eine schwere Hose, und Turnschuhe, wie willst du sonst bremsen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mädchen es versucht, Susan Prosser zum Beispiel hat nicht einmal den Mut, ganz nach oben zu klettern, geschweige denn die Rutsche hinunterzuschauen. Vielleicht frage ich sie demnächst mal, ob sie mitkommt, mal sehen, wie schlau und mutig sie wirklich ist. Sie kennt die Fabrik ja längst, ganz bestimmt, sie hat ein heimliches Wissen, das nur Menschen haben, die sich für einen solchen Ort interessieren, sie wissen nicht nur, wo er ist, sie gehen auch hin, etwa wenn sie allein sein, wenn sie über etwas ganz Bestimmtes nachdenken wollen. Vor ein paar Tagen bin ich ihr
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