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Sydney Bridge Upside Down

Sydney Bridge Upside Down

Titel: Sydney Bridge Upside Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ballantyne
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Caroline stand neben dem Pferd, sie legte ihre Hand auf seinen Rücken. Dibs bückte sich, fasste Carolines Bein und hievte sie auf das Pferd.
    »Seht mal«, rief ich, »Caroline reitet Sydney Bridge Upside Down!«
    Mr Kelly lachte. »Hab ich mir doch gedacht, dass sie es schaffen. Er kümmert sich ja rührend um die Kinder.«
    Ich trat auf die Trasse.
    »Bleib mal hier!«, sagte Papa. »Wir brauchen dich, wir packen gleich die Sachen zusammen.«
    »Ich will aber gucken, was sie machen«, rief ich und blieb an der Trasse stehen.
    »Du hast ja gehört, was Mrs Kelly gesagt hat«, sagte Papa. »Oder willst du, dass dir der Fuß abfällt? Willst du etwa durchs Leben hinken wie dein alter Vater?« Er lachte, als er das sagte, doch seine Stimme, sein drohender Ton verrieten, dass es ihm Ernst war.
    Was hieß das schon, wenn Mr Kelly meinte, Sam Phelps kümmere sich rührend um die Kinder? Sam Phelps hatte noch nie einem Kind erlaubt, Sydney Bridge Upside Down zu reiten.
    »Wenn ich so an Tilly denke«, sagte Mrs Kelly, »dann fallen mir immer diese alten Geschichten ein über reine Jungfrauen, die von niederträchtigen Figuren verfolgt werden. Meistens gibt es ein Schloss, Fledermäuse in langen Gängen, Unruhe um Mitternacht. Nichts deutet darauf hin, dass jemand kommen wird, um die Heldin zu retten. Tatsächlich meine ich mich zu erinnern, dass Tilly einst einen Chef hatte, der ihr richtiggehend hinterhergejagt ist, rein und raus aus verschiedenen Büros, um Schreibtische und Registerschränke herum, ganz im alten Stil. Natürlich haben wir keine Schlösser, und schwarze Magie und verrückte Mönche sind auch selten geworden – die Schrecken unserer Zeit sind nun mal andere – doch selbst wenn nicht das Feuer, nicht die Abgründe –«
    Sydney Bridge Upside Down galoppierte über den Strand. Ich sah Carolines gelbes Haar, ihren weißen Badeanzug, federnd saß sie auf dem tiefhängenden Rücken.
    Die Kinder rannten hinterher, Sam Phelps rührte sich nicht.
    »Diese Wolke da gefällt mir nicht«, sagte Papa. »Ich glaube, wir müssen uns auf Regen einstellen, vielleicht ein Sommergewitter, was meinst du Sandy?«
    »Kann sein, Frank«, sagte Mr Kelly, »kann gut sein.«
    Caroline und Sydney Bridge Upside Down drehten auf eine Düne zu und gingen ein Stück hinauf.
    Mr Wiggins fuhr mit seinem Lieferwagen vorbei, er fuhr an Sam Phelps vorbei und erreichte die Düne. Er stieg aus und sah zu Caroline hinauf.
    »Höchste Zeit, den Reo zu beladen«, sagte Mr Kelly.
    Papa und ich humpelten hinter ihm her zum Strand. Ich hatte eine ungeheure Wut im Bauch.

6
    Lange bevor ich in der Dämmerung erkennen kann, dass Sydney Bridge Upside Down direkt auf mich zuhält, bin ich schon aufgeschreckt, die Hufe klappern so laut. Ich renne los, und je länger ich renne, desto lauter wird das Klappern, es ist, als würde eine ganze Herde von Pferden auf die Fleischfabrik zustürmen, als wollten sie unbedingt vor mir dort ankommen, doch je schneller ich renne, desto weiter entfernt sich die Fleischfabrik, und die Hufe rücken immer näher, ich sehe immer wieder ängstlich über die Schulter, weil ich nicht glauben kann, dass dieser ganze Lärm tatsächlich nur von Sydney Bridge Upside Down kommt. Dann bin ich plötzlich in der Fabrik, ich gehe die Treppe hoch, ich höre noch immer das Klappern, immer noch die Hufe. (Liebe Caroline, fangen wir im Erdgeschoss an, denn dort wurden die Tiere angeliefert. Die meisten kamen in Lastwagen, einige auch in der Lore vom Hafen, in Port Crummer, unten an der Küste, wurden sie auf die Schiffe geladen. Papa hat erzählt, dass es unten im Erdgeschoss immer sehr still war, die Tiere verstanden nicht, was sie nach ihrer Ankunft erwartete. Später kamen sie dann wieder unten an, als Kadaver, bevor sie in die Kältekammern geschoben wurden, heute sind es unheimliche, dunkle Verliese. Die Stockwerke darüber waren Schlachtetagen, dort war es laut, sie waren erfüllt vom Schreien und Stöhnen der sterbenden Tiere, der Boden war voller Blut. Selbst heute noch, wenn man über den Beton geht, kann man sich das Blut in dunklen Pfützen vorstellen, und es hat Tage gegeben, da konnte ich sogar ganz oben die Schreie und das Stöhnen hören, und ich dachte, der Wind ist das nicht, das kann nicht der Wind sein. Der Wind bläst ja heute durch Fensterhöhlen, durch bröckelnde Betonmauern, auf dem getrockneten Blut liegt Zementstaub. Einmal bin ich lange ganz oben geblieben, ich war sauer auf Papa. Er hatte mich

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