Sydney Bridge Upside Down
reden wollen. Nur Mrs Kelly, die unterhält sich sogar ganz gerne mit ihm.«
»Gefallen dir die hier?«, fragte Caroline und zeigte auf ein braunes Paar Schuhe.
Ich verstand, dass sie nicht über Mr Wiggins reden wollte. »Ja, das sind gute Schuhe«, sagte ich.
»Guck, ganz niedrige Absätze«, sagte sie und drehte die Schuhe um. »Bestimmt genau das Richtige fürs Motorrad.«
»Ja, das ist genau richtig«, sagte ich. »Wann holt Buster dich denn ab?«
»Nach dem Abendessen.«
»Und wo fahrt ihr hin?«, fragte ich.
»Ist mir egal«, sagte sie und lächelte. »Er bringt uns irgendwohin, vielleicht sogar nach Bonnie Brae.«
»O Mann, die Straße ist aber gefährlich nachts«, sagte ich.
»Buster fährt sehr vorsichtig«, sagte sie. »Besonders wenn ich bei ihm bin. Er fährt nie freihändig, wenn ich hintendrauf sitze, das würde er nie tun.«
»Heute wollen wohl alle nach Bonnie Brae«, sagte ich. Sie hat wirklich Glück, dass sie so oft auf der Indian mitfahren darf, dachte ich. Ich hatte nichts dagegen, ich freute mich sogar für sie. Es war wirklich nett von Buster, dass er sie immer mitnahm.
»Stimmt«, sagte Caroline, »Onkel Frank und Mr Kelly fahren heute auch, oder? Wahrscheinlich fahren sie nach uns los. Aber vielleicht sehen wir sie ja in Bonnie Brae. Ich darf nicht vergessen, Buster zu warnen, also, ich meine zu erinnern, dass Onkel Frank heute Abend auch da ist.«
»Zumindest ist es nicht glatt heute Abend«, sagte ich, »es hat ja lange nicht geregnet. Weißt du noch, dieses Gewitter, als du angekommen bist? Und wie es auf der Kirmes geschüttet hat? Es hat so geregnet …«
»Und was machst du, wenn wir alle weg sind?«, fragte Caroline.
»Vielleicht spiele ich Mensch ärgere dich nicht mit Cal«, sagte ich, »oder das Leiterspiel. Vielleicht gucke ich mir meine Sammelkarten an.«
»Musst du keine Hausaufgaben machen?«, fragte sie und grinste.
»Am Freitag? Neiiiin«, sagte ich, »der fette Norman soll uns eigentlich überhaupt nichts aufgeben, wir sind zu jung, das kann man uns nämlich eigentlich nicht zumuten.«
»Mr Kelly hat gemeint, die Hausaufgaben sind gut, weil ihre Kinder dann nichts anstellen«, sagte Caroline. »Sie findet es richtig, dass der Lehrer euch Hausaufgaben aufgibt.«
»Mrs Kelly hat einen Knall«, sagte ich, »außerdem, was soll ich schon anstellen? Also wirklich, Mrs Kelly ist ja genauso schlimm wie der fette Norman, sie haben einfach etwas dagegen, dass wir unseren Spaß haben.«
Caroline lachte. »Komm, Harry, du hast doch wohl Spaß genug!«
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen. »Caroline«, sagte ich, »was ich ehrlich vermisse, ist der Spaß, den wir zusammen gehabt haben. Ich meine, wenn wir morgens Fangen spielen und so.«
Sie wurde knallrot, damit hatte ich nicht gerechnet. Sie konzentrierte sich auf die Auswahl der Schuhe. »Da war es noch viel wärmer, weißt du«, sagte sie. »Jetzt ist es ja morgens schon ziemlich kühl.«
»Findest du?«, sagte ich. Ich hatte auf einmal große Sehnsucht danach, sie nackt zu sehen.
»Harry …«, flüsterte sie.
»Was ist denn?«, fragte ich nach einer Weile.
»Du hast doch niemandem davon erzählt, oder?«
»Wovon?«
»Du weißt schon, unser Spiel.«
»Cal ist der Einzige, der davon weiß«, sagte ich. »Und du und ich natürlich. Cal sagt bestimmt nichts, er hat ja selbst am Anfang mitgemacht. Er hat bestimmt Angst.« In Gedanken fügte ich hinzu: Der Junge weiß ja, was ihm blüht, wenn er es erzählt.
Langsam räumte sie die Schuhe ein, bis nur noch das braune Paar übrig war.
»Was meinst du, machen wir es vielleicht noch mal?«, fragte ich. Ich hatte solche Sehnsucht danach. »Vielleicht, wenn es wieder wärmer wird?«
»Ich glaub nicht, Harry«, sagte sie.
»Und warum nicht?«
»Ist besser so.«
Ich tat, als wäre ich eingeschnappt, aber eigentlich war ich erleichtert. Ich verstand zwar nicht, warum, aber ich spürte, dass es richtig war, was sie sagte. Irgendwie war es gut, dass ich so sehr wünschte, sie nackt zu sehen, aber es war auch gut, dass sie es nicht zuließ.
Jetzt zum nächsten Morgen, ich bin hinten im Garten. In wenigen Stunden wird Sam Phelps die Leiche von Mr Wiggins finden.
Papa kam auf die Veranda und sah uns am Waschhaus, ich war gerade dabei, Cal zu verprügeln. Als ich ihn bemerkte, war es zu spät.
»Harry!«, schrie er. »Was machst du mit deinem Bruder?« Er stemmte sich auf die Krücke und sprang mit einem Satz die Treppe hinunter. Abhauen, schoss es mir
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