Symbiose (Schicksal)
er selbst verängstig aus. Die Qualen ließen so plötzlich nach, wie sie gekommen waren. Nun fühlte ich nichts. Alles war leer und ich fühlte mich als würde ich schweben. Um mich herum schien die Luft weich und Wärme umgab mich. Meine Füße schienen den Boden nicht mehr zu berühren. Und endlich hatte ich Sicht auf Lucia. Sie hatte ebenfalls aufgehört zu schreien und so wie es sich angefühlt hatte, schwebten wir tatsächlich. Wir waren tot und würden nun zusammen in den Himmel gehen. Doch anstatt Trauer darüber zu verspüren, diese Welt zu verlassen, war ich erleichtert. Nur der Gedanke an Fabiennes Zukunft ohne mich betrübte mich. Ich hätte kämpfen müssen. Für sie hätte ich mich dagegen wehren müssen. Doch ich konnte nicht. Dieses Gefühl von Freiheit ohne Kummer und ohne Sorgen war überwältigend.
Es zwang mich, die Augen zu schließen und auf einmal war alles hell um mich herum. Ich war nicht mehr neben Lucia. Ich war alleine an einem Ort, den ich nicht kannte. Das Licht schien aus kleinen Goldflocken zu bestehen. Meine Angst war weg und ich fühlte mich frei. Und nun fing vor mir ein Film an zu spielen. Es war mein Leben. Die Tage mit Lucia und Fabienne vor dem Unfall. Die Fahrt zum neuen Haus und das Wohlgefühl, das ich damals hatte, als ich das erste Mal ins Haus kam. Ruckartig wurde der Film beschleunigt. Mein Leben in New York. Die Beerdigung meiner Eltern, der Anruf, den ich erhalten hatte in der Nacht, als sie starben. Als ich an dem Tag ankam, an dem Fabienne geboren wurde, wurde alles wieder langsamer. Es fühlte sich an wie die Ewigkeit. Ich sah mich selbst, wie ich das erste Mal Fabienne in den Armen halten durfte und mir die Tränen übers Gesicht kullerten. Wie sehr ich dieses kleine Mädchen geliebt hatte. Von der Sekunde an, als sie das erste Mal die Augen aufmachte und mich anlächelte. Die Erinnerung verschwand für mich zu schnell. Ich wollte danach greifen und niemals irgendwo anders hingehen. Ich wollte nicht sehen, was davor war. All das war nicht wichtig, dass wusste ich nun. Doch niemand fragte mich und so ging es weiter. Mein erster Schultag, dann der Tag an dem ich Lucia kennen gelernt hatte. In diesem kleinen Balletstudio. Lucia hatte mich damals sofort zum Lachen gebracht. Ich zwinkerte meinem alten Ich zu. Meine eigene Geburt war plötzlich vor mir. Ich sah meinen Vater mit den Augen eines Babys an und wie stolz er mich ansah. Und dann war alles schwarz.
Mich packte Panik. War ich etwa in der Hölle gelandet? Doch dann hörte ich sie. Sie sangen für mich. Es waren Engel, die das Dunkle durchbrachen und es immer heller um mich herum wurde. Ihre Stimmen waren so lieblich, dass ich erneut die Augen schloss und spürte, wie sie mich an meinen Armen und Beinen trugen. Immer wieder hörte ich sie meinen Namen singen. Dann war ich ruhig. Eine Stimme sagte, dass alles gut werden würde. Als ich die Augen wieder aufmachte, war ich im Himmel. Ich sah jemanden neben mir. Stolz war in den Augen zu sehen und ich erkannte diese lieben Augen sofort. Es war Lucia, die genau neben mir stand. Sie sah ein wenig anders aus. Ihre Kleider waren schneeweiß, ihre Locken waren stärker als zuvor und dann sah ich es. Sie hatte Flügel. Sie sah aus wie ein Engel. „Was ist mit dir geschehen. Bist du mein Schutzengel?“ Sie lächelte mich ungläubig an. „Bist du etwa meiner?“ Ich verstand nicht, was sie meinte. „Komm, ich zeige dir, was ich meine.“ Sie nahm meine Hand und drehte mich. Ich sah nichts. „Warte noch kurz.“ Ich tat was sie mir sagte und plötzlich stand ein Spiegel vor mir. Ich erkannte mich und auch das was sie meinte. Ich hatte Flügel, so wie sie. Sie strahlten und glitzerten ein bisschen.
„Wir schaffen das, Kerubiel. Du und ich“, sagte Lucia zu mir.
Als ich meinen Engelsnamen hörte kamen die Erinnerungen wieder. Vor meiner menschlichen Geburt hatte ich den Krieg auf Erden beobachtet. Der Krieg von Engeln und Dämonen. Und ich habe gesehen, wie sehr mein Gott darüber entsetzt war. Damals haben Lucia, Zachariel, die nun Ana hieß, Terathel und ich uns entschieden, auf die Erde zu kommen. Wir wollten all dem ein Ende setzen und die Menschen vor den Dämonen schützen. Terathel war dann aber doch oben geblieben. Er hatte sich von Ana mit einem Kuss verabschiedet. Er sagte ihr er könne den Himmel nicht verlassen. Nun war mir klar, warum meine Freundin auf der Erde Schwierigkeiten hatte, einen Partner fürs Leben zu finden. Sie hatte schon längst einen
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