Symphonie der Herzen
dachte sie, dass Campden Hill so groß ist, dass ich mir hier kein Zimmer mit Lu zu teilen brauche.
Langsam entkleidete sie sich vor dem großen Spiegel und legte die Hand auf ihren flachen Bauch. Ich bin nicht schwanger, betete sie im Stillen. Nein, ganz gewiss nicht. Gott würde nicht so grausam zu mir sein. Ernst schaute sie ihr Spiegelbild an und wischte sich zwei Tränen aus den Augenwinkeln. Ich war mir so sicher, dass Teddy mich heiraten würde. Was für ein grausamer, kaltherziger Bastard er doch ist!
In diesem Augenblick fiel ihr wieder die Aversion ihrer Schwester gegen die Ehe ein; ursprünglich hatte Georgy sich deswegen ja sogar schon über Lu lustig gemacht und ihr geraten, sich besser schnell nach einem Mann umzusehen. Mittlerweile aber war sie sich nicht mehr ganz so sicher, ob Lu nicht vielleicht doch recht hatte. Höhnisch hallten Louisas Worte in Georgys Ohren nach: »Nun, vielleicht bist du ja auch diejenige, die naiv ist? Meiner Meinung nach wachsen die so genannten »liebenden Ehemänner< nämlich nicht auf den Bäumen. Ganz im Gegenteil sogar. Ich denke, dass Männer im Allgemeinen eher selbstsüchtig und arrogant sind.«
Selbstsüchtig und arrogant - ja, das war genau die Beschreibung, die auch auf Teddy Fox passte. Wütend ballte Georgy die Hände zu Fäusten und hieb mit aller Kraft einmal gegen den Spiegel, sodass das Glas mit lautem Klirren zerplatzte. Erschrocken sprang sie einen Schritt zurück und betrachtete ihr verzerrtes Spiegelbild. Teddy wollte mich bestimmt bloß deshalb nicht heiraten, weil ich so hässlich bin! Stattdessen will er Louisa ... Ich hasse sie! Ich hasse sie!
Eine knappe Stunde später ging auch Louisa hinauf in ihr Schlafzimmer. Ob Georgy wohl noch immer bei Teddy ist?, überlegte sie. Hoffentlich hat er ihr endlich einen Antrag gemacht. Sie wünscht sich doch nichts sehnlicher, als zu heiraten. Die Reise nach Schottland ist in jedem Fall bestimmt gerade gar nicht nach ihrem Geschmack. Ich wette, sie würde viel lieber hierbleiben.
Nachdenklich legte Lu ihre Kleider ab, schlüpfte in ihr Nachthemd und ging zu Bett. Und was diesen irischen Teufel angeht: Ich frage mich, ob er wohl tatsächlich Geschäftliches in Schottland zu erledigen hat. Ich vermute eher, der will bloß noch einmal versuchen, mich zu verführen. Der ist hartnäckiger als ein Terrier! Dann aber erinnerte Lu sich wieder daran, dass James ja zum Glück bloß einen Teil des Weges mit ihnen zurücklegen wollte und nicht auch noch mit ihnen in The Doune wohnen würde, dem Haus der Russells in den Cairngorms. Und selbst wenn!, schimpfte sie im Stillen. Von dem lasse ich mir meine Ferien ganz bestimmt nicht vermiesen. Energisch verbannte sie jeglichen Gedanken an Abercorn aus ihrem Kopf.
Kaum aber dass sie eingeschlafen war, tauchte er auch schon wieder im Traum vor ihr auf. Louisa träumte, dass sie tanzte. Sie war ganz allein auf einer riesigen Bühne. Zart drang die Musik an ihr Ohr und verführte sie zu graziösen Pirouetten und Sprüngen; leicht wie eine Libelle erhob sie sich in die Luft. Schließlich, nachdem die Musik in einem fulminanten Crescendo endete, sank sie sanft wieder auf den Boden zurück und verneigte sich so tief, dass ihre Stirn fast ihre Fesseln berührte.
Der Applaus, der daraufhin einsetzte, war schier ohrenbetäubend, obgleich es seltsamerweise nur einen einzigen Gast gab: Abercorn. Er saß gleich vorn in der ersten Reihe, warf Dutzende von ro
ten Rosen zu ihr hinauf auf die Bühne und rief laut: »Bravo! Bravo!« Schließlich erhob er sich, kletterte quer über den Orchestergraben, bis er neben Louisa stand, und drückte sie fest an sich. »Lady Lu«, raunte er, »Ihr wart mal wieder fulminant.«
Glücklich schmiegte Louisa sich an ihn, während in ihrem Magen tausend Schmetterlinge zu toben begannen und ihre Brüste leicht kribbelten. Ihr war schon ganz schwindelig vor lauter Freude. Ja, nicht nur in ihrem Inneren, sondern auch rings um sie herum schien reine Glückseligkeit zu herrschen, und sie hatte das Gefühl, als ob sie schwebte. Lachend blickte sie in Abercorns funkelnde Augen. »James, das alles verdanke ich allein dir.«
Mit einem Mal presste er seine Lippen auf ihren Mund schenkte ihr einen so sinnlichen Kuss, als wollte er ihr den Verstand rauben. Und abermals umfing sie sein männlicher Duft und verführte sie zu den leidenschaftlichsten Fantasien. Ihre Lippen wurden ganz weich, und ein heißer Schauer der Erregung überlief sie, als sie James’
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