Symphonie der Herzen
näher die Ruderer kamen, desto lauter johlte die Menge, und irgendwann waren ganz hinten am Horizont endlich die beiden Boote zu erkennen. Zuerst waren sie nur zwei winzige Pünktchen, langsam aber wurden sie größer, und schließlich konnte Louisa erkennen, dass Cambridge vorne lag. »Oxford! Oxford! Oxford!«, rief sie aus Leibeskräften.
Immer näher und näher preschten die Ruderer auf das Ziel zu, und trotz des Lärmens der Zuschauer hörte man schon das Klatschen der Ruderblätter, und dann konnte Louisa sogar ganz klar James Hamilton ausmachen. Nun wurde es richtig spannend, denn die Ruderer aus Oxford setzten zu einem Endspurt an: Langsam, aber sicher holten sie auf und schoben sich schließlich sogar an ihren Gegnern vorbei. Louisa schien schier der Atem zu stocken, als »die Blauen« sich immer weiter nach vorne kämpften. Erregt betrachtete sie James’ kräftige Arme und Schultern und das Spiel seiner Muskeln unter der seidenglatten Haut - in diesem Moment glaubte sie, in ihrem ganzen Leben noch keinen so attraktiven Mann gesehen zu haben. Am Ende hatte das Boot aus Oxford die Kontrahenten klar überholt, sodass die Rudermannschaft aus Cambridge ihre Blätter einfach sinken ließ und nur noch müde über die Zielgerade dümpelte. »James! James! James!«, rief Louisa überglücklich.
Auch Charles war vor lauter Freude wie berauscht, hob seine Schwester in die Luft und wirbelte sie einmal im Kreis herum. »Wir haben’s geschafft! Komm, lass uns runter ans Ufer gehen und James gratulieren.«
Mit einem Mal aber zögerte Lu, doch Charles und George waren so außer sich, dass sie sie einfach mit sich zogen, um gemeinsam mit ihrem Freund zu feiern. Nur ganz flüchtig schaute Lu noch einmal zu Teddy hinüber, dessen Gesicht plötzlich wie von einer Gewitterwolke überschattet schien. Er war eindeutig eifersüchtig auf Abercorn.
Allerdings waren die Männer aus Oxford bereits von einer solchen Menschenmenge umgeben, dass George und Charles sich regelrecht zu ihrem Freund durchboxen mussten. Erst als die jungen Männer Louisa erblickten, wichen sie galant zur Seite und machten den Weg hinab zum Ufer frei.
James rieb sich gerade mit einem Handtuch den Schweiß ab. Breit grinsend und noch immer ganz außer Atem unterhielt er sich mit seinem Bruder Claud.
»Du hast mir gerade hundert Guineas von Teddy Fox errudert, und dann noch einmal fünfzig von den Buchmachern«, rief Charles glücklich.
»Ja, eine echte Glanzleistung, obwohl ja zwischenzeitlich Cambridge vorne lag«, stimmte auch George zu. »Du hattest bestimmt auch Angst, dass am Ende sie gewinnen würden, oder?«
»Nein«, antwortete James mit einem Lächeln an Louisa gewandt.
»Wenn ich mir ein Ziel stecke, dann glaube ich grundsätzlich daran, dass ich es auch erreiche. Sonst hätte ich ja schon von vornherein verloren.«
Louisa wagte kaum, an ihre letzte Begegnung mit James zu denken. Stattdessen erinnerte sie sich an das Pferderennen in Woburn Abbey. Schon damals hatte sie begriffen, dass Abercorn einen eisernen Willen hatte, und die Entschlossenheit zu siegen schien ihm geradezu angeboren. Wenn der sich ein Ziel steckt, überlegte sie, dann erreicht er es auch, ganz gleich, was es kostet. Sie erschauderte leicht.
Plötzlich erschien Teddy an ihrer Seite. Betont besitzergreifend streichelte er einmal über ihren Arm. »Ich habe Euren Gewinn abgeholt, Lu. Dank mir - immerhin habe ich die Wette für Euch platziert - seid ihr nun zwanzig Pfund reicher.«
»Das ist sehr nett von Euch.« Hastig stopfte sie sich das Geld in die Tasche. »Wo ist eigentlich Georgy?«
»Die hat verloren. Und angeblich ist ihr davon nun übel.«
»Und dann habt Ihr sie allein auf der Brücke stehen gelassen? Ich muss sofort zu ihr.«
»Soll ich mitkommen?«, rief Charles ihr besorgt nach.
»Nein, natürlich nicht. Ihr wollt doch jetzt bestimmt mit Abercorn und seinem Team feiern. Mach dir mal keine Sorgen um uns. Wir kommen schon zurecht.«
»Dann komme ich eben mit«, bot James’ Bruder Claud sich an, »und begleite Euch, bis Ihr sie gefunden habt.«
»Danke, Claud«, murmelte Lu und schaute verstohlen zu James hinüber, der sie abermals mit seinem Blick regelrecht zu fixieren schien. In diesem Moment als strahlender Sieger war er für Lu plötzlich der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte. »Genießt Euren Sieg«, sagte sie mit einem schüchternen Lächeln.
James schaffte es unterdessen nicht, den Blick von Lu abzuwenden. Wie sie dort im Sonnenlicht
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