Symphonie der Herzen
den Raum. Donnernd hallte Louisas Herzschlag in ihren Ohren wider, und ihre Angst davor, nun ganz allein mit Abercorn zu sein, war schier unbeschreiblich. Sie verflocht ihre Finger so fest miteinander, dass ihre Knöchel weiß hervortraten, während sie sich langsam erhob, um sich dem Donnerwetter zu stellen, das nun wohl über sie hereinbrechen würde.
19
Die Stille war geradezu ohrenbetäubend. Überlege dir gut, was du dir wünschst - es könnte wahr werden! Zitternd vor Zorn erinnerte James sich an das alte Sprichwort. Gleichwohl ahnte er bereits, dass das Schicksal ihm mit dieser unerwarteten Wendung doch im Grunde nur einen Gefallen getan hatte - wäre da nicht dieser alles verschlingende Schmerz gewesen, der ihm schier den Verstand zu rauben schien.
»Wer hat Euch das angetan?«, zischte er, während sein Gesichtsausdruck keinerlei Emotionen erkennen ließ.
Louisa presste die Lippen aufeinander, schloss die Augen und schüttelte von Kummer gepeinigt nur stumm den Kopf.
»Ich werde ihn umbringen.«
Abrupt riss sie die Augen wieder auf und stellte mit Entsetzen fest, dass James es offensichtlich ernst meinte - sein finsterer Blick verriet es ihr.
Unterdessen entging ihm natürlich nicht der beißende Hohn, der dieser an sich doch sehr kuriosen Situation innewohnte: Seit ich sieben Jahre alt war, dachte er, habe ich stets nur ein Ziel vor Augen gehabt - Louisa Russell zu meiner Frau zu machen. Bislang allerdings hatte Lu noch alle meine Anträge abgelehnt. Heute hingegen scheint das Schicksal sie mir geradewegs in die Arme zu treiben das heißt, wenn ich sie unter diesen Umständen überhaupt noch will.
Er fixierte sie mit durchdringendem Blick, während Louisas Atem stoßweise ging und ihre Lippen zitterten. Schließlich schaute sie beschämt zu Boden.
James hingegen dachte noch einmal ruhig und ernsthaft darüber nach, wie es jetzt mit seinen Gefühlen für sie bestellt war: Will ich sie wirklich noch immer heiraten? Auch jetzt noch? Nach alledem? Doch die Antwort darauf zu finden fiel ihm nicht schwer, denn sofort ertönte in seinem Hinterkopf ein lautes und klares Ja! Und wenn er Lu nur auf diesem - und in der Tat etwas verworrenem -Wege bekommen konnte, nun, dann sollte es eben so sein.
Denn schon seit Jahren hatte es für ihn nur noch Lu gegeben, sodass er sie nun, da die Chance zum Greifen nahe war, auf gar keinen Fall entschlüpfen lassen wollte; alles in ihm schrie danach, sie für immer an sich zu binden. Zudem verlieh ihr die verzweifelte Situation, in der sie sich gerade befand, eine geradezu ätherische Schönheit und machte sie andererseits auch wieder ein ganzes Stück menschlicher. Vor allem aber strahlte sie im Augenblick eine solch mitleiderregende Verletzlichkeit aus, dass James beschloss, seine eigenen Emotionen vorerst in den Hintergrund zu schieben und sich nur noch auf das eine Ziel zu konzentrieren: Louisa Russell zu seiner Ehefrau zu machen.
Und dennoch will ich verdammt sein, dachte er, wenn ich jetzt noch einmal so dumm bin, dir einen Antrag zu machen, Lady Lu! Du wärst glatt imstande, ihn abermals abzulehnen.
Schweigend wartete er darauf, dass Lu ihn endlich wieder ansehen würde. Unterdessen schien die Stille immer mehr Raum einzunehmen.
Schließlich hielt Lu es nicht mehr länger aus und schaute zu ihm auf.
James atmete einmal tief durch. »Also gut. Dann werde ich jetzt zu Eurem Vater gehen und um Eure Hand anhalten.« Damit verbeugte er sich einmal kurz vor Lu und verließ den Salon.
Einen Moment lang stand Louisa wie erstarrt da. Dann erwachte sie mit einem Ruck aus ihrer Lethargie, rannte hinter Abercorn her und Wollte soeben die Tür aufreißen und schreien: »Nein! Nein! Nein!
Bitte nicht!« Doch als ihre Hand den Türknauf berührte, hielt sie abrupt inne.
Denn wenn sie jetzt tatsächlich ihren Gefühlen den Vorrang ließ und blind herausschrie, dass sie ihn in Wahrheit gar nicht heiraten wollte, dann würde ihre Mutter in jedem Fall eine Erklärung verlangen - und das wiederum würde bedeuten, dass sie Georgy verraten müsste. Und genau das brachte Louisa einfach nicht über sich. Immerhin standen ihre Liebe und ihre Loyalität zu ihrer Schwester auf dem Spiel. Sie durfte ihren heiligen Schwur auf keinen Fall brechen, auch wenn sie sich mit ihrem Schweigen nun quasi selbst in Fesseln legte. Georgy wäre dem Skandal nicht gewachsen.
Sie würde einen weiteren Selbstmordversuch unternehmen, dachte Louisa bedrückt, so viel ist gewiss. Und Gott allein weiß,
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