Symphonie der Herzen
geheimnisvoll anmutende Sperrin-Gebirge. »Wie weit ist es noch bis nach Barons Court?«
»Wir befinden uns bereits auf meinem Grund und Boden. Er erstreckt sich über etwa fünfundvierzig Kilometer. Und das Haus liegt in einem geschützten kleinen Tal gleich am Fuße der Berge.« Auch James konnte seine Bewunderung kaum verhehlen, wobei sich sein Blick jedoch nicht auf die Landschaft, sondern auf Louisa richtete. »Im Übrigen finde ich, du bist eine ziemlich tapfere Reisebegleiterin.« Unmittelbar am Tage nach ihrer Hochzeit waren James und Lu nämlich nach Glasgow aufgebrochen, von wo aus sie mit einem Dampfschiff nach Londonderry übergesetzt hatten.
»Vielleicht liegt das ja auch ein klein wenig daran, dass du alles so gut organisiert hast«, gab Louisa das Kompliment zurück. »Alles in allem hat die Reise ja bloß wenige Tage gedauert.« Vor allem aber war sie ehrlich erleichtert gewesen, dass James auf dem Dampfer taktvollerweise zwei Kabinen gebucht hatte und nicht bloß eine. Und auch sonst hielt er sich an ihre Abmachung. Sein Betragen ihr gegenüber war überaus höflich, wodurch es auch ihr leichter fiel, sich charmant und umgänglich zu geben - obgleich sie beide im Stillen noch immer heftig miteinander grollten.
Ergriffen von der Schönheit des Landes tat Louisa einen tiefen Atemzug, während die Sonne sich in einem der Seen widerspiegel
te und die Wasseroberfläche in pures Gold zu verwandeln schien. Es folgten noch zwei weitere nicht weniger bezaubernde Weiher, bis schließlich ein entzückendes und ganz aus grauem Stein erbautes Haus ins Blickfeld rückte, dessen besonderer Charme ein kleiner Glockenturm war. »Oh, das ist ja einfach hinreißend.« Lu glaubte, ihr zukünftiges Zuhause zu erblicken.
James aber lachte bloß. »Lu, das ist lediglich das Pförtnerhaus.« Verlegen blickte sie starr geradeaus.
Derweil fuhr die Kutsche zügig weiter und unter einem kleinen Steinbogen hindurch, der gleich neben dem Glockenturm stolz den schmalen Weg überspannte; er markierte die Grenze zwischen James’ Wirtschaftsgütern und seinem Privatgrundstück, zu dem im Übrigen auch noch ein kleiner Wald zählte. Und dann, endlich, tauchte jenseits der Kronen des dunklen Gehölzes Barons Court auf, ein mächtiges Anwesen, komplett mit Portikus und den klassischen römischen Säulen. »Das ist ja umwerfend!«, seufzte Louisa und korrigierte sich im Geiste: Nein, es ist nicht bloß umwerfend, sondern es ist das schönste Haus, das ich je gesehen habe. Ob Mutter wohl auch so ergriffen war, als sie zum ersten Mal Woburn Abbey erblickte? Nein, ganz gewiss nicht. Sie war bestimmt schon damals viel zu weltgewandt und bodenständig, um sich von so etwas Profanem wie einem Haus beeindrucken zu lassen. Entschlossen hob Louisa das Kinn. »Mutter wird hingerissen sein. Sie hat mir übrigens versprochen, uns noch vor Ende des Sommers einen Besuch abzustatten.«
Die Kutsche war gerade erst in den Innenhof des Anwesens eingefahren, da sprang James auch schon hinaus, um Louisa beim Aussteigen zu helfen. Respektvoll hatte sich die gesamte Dienerschaft von Barons Court auf der Haupttreppe versammelt, um ihren Herrn und dessen junge Frau zu empfangen.
»Wenn ich vorstellen darf? Dies sind Kate Connelly, meine Erste Hausdame, und ihr hart arbeitendes Gefolge.« James machte eine kleine Pause. »Und dies ist meine Gemahlin, Lady Louisa. Ihr werdet ihr mit der gleichen Zuverlässigkeit dienen, wie ihr auch mir stets zu Diensten wart.«
Die Männer verbeugten sich, und die weiblichen Angestellten knicksten einmal höflich. »Lady Abercorn.«
»Oh, bitte«, mahnte Louisa sie mit einem wohlwollenden Lächeln. »Diese Formalitäten könnt ihr euch aufsparen, bis wir irgendwann einmal wirklich wichtige Gäste zu Besuch haben.« Liebenswürdig schüttelte sie jedem aus der Belegschaft die Hand, wobei sie jedes Mal nach dem Namen desjenigen fragte, und James’ Bedienstete quittierten ihre Geste mit einem freundlichen Lächeln. »Und vielen Dank auch für das herzliche Willkommen, das ihr mir bereitet. Ich hoffe, ihr werdet Geduld mit mir haben. Ich muss noch viel lernen.«
»So, und jetzt alle hinein«, beendete James die Begrüßungszeremonie, griff nach Louisas Hand und führte sie ins Innere des Hauses. Dabei beugte er sich leicht zu ihr hinüber und murmelte: »Sieht ja ganz so aus, als hätten sie dich schon in ihr Herz geschlossen. Und ich wette, in Kürze fressen sie dir aus der Hand.« Mit Erstaunen stellte Louisa fest,
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