Symphonie der Herzen
freudigen Bewusstsein schwelgte, ein unschätzbar kostbares Geheimnis entdeckt zu haben. Abermals öffnete er das Tagebuch und las den nächsten Eintrag:
Abercorn ist gefährlich! Denn er ist so verteufelt attraktiv, dass ich mich besser vor ihm in Acht nehme - sonst bin ich verloren!
Erst jetzt, als er diese Zeilen las, erinnerte er sich wieder daran, dass dies immerhin Louisas persönliches Tagebuch war und dass er besser nicht darin herumstöbern sollte. Hastig klappte er das Buch zu und verriegelte das winzige Schloss. Das hier sind Lus ganz private Gedanken, schimpfte er im Geiste, und ich habe gerade auf ziemlich niederträchtige Weise ihre Privatsphäre verletzt!
Nichtsdestotrotz war er natürlich alles andere als betrübt über das, was er in ihrem Tagebuch gelesen hatte. Noch immer erfüllte dieses neu errungene Wissen sein Herz mit einer unbeschreiblichen Glückseligkeit. Er schwelgte sogar regelrecht in der Vorstellung, dass von jetzt an, da er diesen winzigen kleinen Ausflug in Lus Tagebuch gewagt hatte, zwischen ihnen beiden bestimmt alles ganz anders werden würde, und seine Mundwinkel verzogen sich bereits zu einem teuflischen kleinen Grinsen, denn der Marquis von Abercorn kannte nun nur noch ein Ziel: Seine Angebetete schließlich doch noch zu verführen - koste es, was es wolle.
Er trug das Buch zurück zu Lus Koffertruhe, faltete das kostbare karmesinrote Kleid vorsichtig wieder zusammen und schob ihr Tagebuch darunter, genau so, wie er es vorgefunden hatte. Dann schloss er den Deckel der Truhe, ließ die Messingscharniere einrasten und stellte zur Sicherheit noch einen von Lus Koffern obenauf. Niemals darf Lu herausfinden, was ich soeben getan habe!
Abrupt öffnete Lu die Augen, als in ihrem provisorischen Schlafzimmer mit einem Mal energisch die Vorhänge zurückgerissen wurden. Doch die grelle Morgensonne blendete sie, und so kniff sie die Augen rasch wieder zu. »Verdammt noch mal!«, schimpfte sie empört. »Ich wünschte, der Teufel würde dich holen.«
»Ja, das hätte er auch fast«, lachte James mit einem vielsagenden Grinsen, ging ansonsten aber nicht weiter auf Lu ein. »Los, aufstehen! Ich will, dass du mitkommst.« Erbarmungslos schlug er ihre Bettdecke zurück.
»Ich bin noch nicht angekleidet.«
»Das sehe ich.« Bewundernd ließ er den Blick über ihre verführerischen Rundungen unter dem seidenen Nachthemd schweifen.
»Kann das nicht warten?«
»Nein, definitiv nicht. Also, beeile dich, sonst hebe ich dich einfach hoch und nehme dich so mit nach unten.«
Unterdessen erschien wieder dieses temperamentvolle Blitzen in seinen Augen, und Lu ahnte bereits, dass er es ernst meinte mit dem, was er sagte. »Aber ich brauche zuerst noch meinen Morgenrock«, murrte sie.
»Oh, bitte schön. Wenn es unbedingt sein muss.« Schwungvoll nahm er den weiß-samtenen Morgenmantel auf, der am Fußende ihres Bettes gelegen hatte, und legte ihn ihr um die Schultern, während Lu ihre nackten Arme in die weichen Ärmel gleiten ließ. Dann packte er ihre Hand und zog sie ziemlich unsanft aus dem Bett.
Nur mit knapper Not schaffte Louisa es, sich noch rasch ihre Hausschuhe anzuziehen, als James sie auch schon in Richtung Tür hinter sich her zog. Um mit seinen großen Schritten mithalten zu können, musste sie fast rennen. Und natürlich kamen sie auf ihrem Weg auch an so manchen Dienern und Hausmädchen vorbei, die die Herrschaften mit offenem Mund anstarrten, doch James hatte es dermaßen eilig, als er die große Haupttreppe hinunterstürmte, dass Lu noch nicht einmal mehr die Zeit blieb zu erröten.
Mit großen Schritten marschierten sie einmal quer durch die
Haupthalle, dann durch die Rotunde und durch das schmale Foyer, um schließlich im Eiltempo nach draußen zu gelangen. Erst, als sie unter dem ausladenden Vordach angekommen waren, blieb James für einen winzigen Moment stehen, um dann auch schon kurzerhand einen seiner kräftigen Arme unter Lus Kniekehlen durchzuschieben und sie einfach hochzuheben.
»Die Tradition verlangt es, dass der Bräutigam seine Braut über die Türschwelle trägt. Und keiner soll sagen, dass ich nicht wüsste, welche Rechte und Pflichten ich als Ehemann habe - egal, wie sehr du dich mir auch widersetzen magst.«
Louisa begriff natürlich sofort die Doppeldeutigkeit seiner Worte und errötete prompt, während James sie langsam und feierlich zurück über die Türschwelle trug und dann einmal quer durch das sonnendurchflutete Atrium. Empört versuchte sie,
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