Symphonie der Herzen
gespielter Verzweiflung das Schachbrett umwarf und die Figuren im halben Zimmer verstreute. Plötzlich entdeckte sie eine Schüssel mit Esskastanien und schnappte sich sofort die große kupferne Pfanne mit dem langen Stiel, die dicht neben dem Kamin an der Wand hing. Abermals hockten James und Louisa sich vor den Kamin, um die Kastanien zu rösten, und machten es sich anschließend auf dem weichen Teppich gemütlich, wo sie die heißen kleinen Früchte genossen; vorsichtig pellte James eine nach der anderen aus ihrer knisternden Schale heraus und fütterte Lu mit dem mürben Fruchtfleisch.
Sie lachten und plauderten, bis Louisa schließlich zu gähnen begann, und belustigt beobachtete James, wie ihr Kopf immer tiefer sank. Unterdessen war ihr Haar zu Tausenden von kleinen Löckchen getrocknet, und vorsichtig streckte er die Hand aus, um ein wenig darin herumzuspielen. Die kleinen Spiralen wickelten sich um seine Finger und blieben wie von selbst daran haften, während er sich an ihrer seidigen und verführerischen Beschaffenheit erfreute. Als James schließlich noch ein wenig näher rücken wollte, um Louisa zärtlich in die Arme zu schließen, war sie bereits eingeschlafen.
24
Früh am nächsten Morgen schlug Louisa die Augen auf. Das helle
Sonnenlicht hatte sie geweckt, denn sie hatte am Abend zuvor vergessen, die Vorhänge zuzuziehen. Gleich kommt bestimmt Abercorn herein, um mich mit seiner morgendlichen Routine zu quälen, dachte sie missmutig. Und dann wird er mir wieder die Bettdecke wegreißen und mich aus dem Bett zerren und - Ein spitzbübisches kleines Lächeln breitete sich über ihre Lippen. Ich denke, es ist an der Zeit, den Spieß einmal umzudrehen!
Leise erhob sie sich aus ihrem Bett, schlüpfte in ihren Morgenmantel und schlich zu der Verbindungstür zwischen Boudoir und Schlafzimmer hinüber. Auf Zehenspitzen näherte sie sich James Bett und riss ihm dann abrupt die Decke weg. Gleich darauf aber wäre sie vor lauter Scham am liebsten im Boden versunken, als sie nämlich entdeckte, dass Abercorn splitterfasernackt war.
Verdutzt öffnete James die Augen und brach prompt in schallendes Gelächter aus, als er den entsetzten Ausdruck auf Louisas Gesicht sah. Er grinste sie an und zitierte sie: »Aber da du diejenige warst, die mir die Bettdecke weggerissen hat, bist eindeutig du die Übeltäterin in diesem Spiel. Und darum geschieht es dir nun ganz recht, wenn meine Reize dich verwirren. Lady Lüstern!«
Louisa aber hatte sich bereits gefangen und gab sich völlig unbeeindruckt, wenngleich sie sich vorsichtshalber doch lieber von ihm abwandte und aus dem Fenster schaute. »Zieh dich gefälligst an!«, sagte sie, ohne weiter auf seine Sticheleien einzugehen. Im nächsten Augenblick rief sie plötzlich entzückt: »Da unten im Gras sind junge Füchse! Ich glaube, sie spielen.«
»Ja, das kann gut sein.« Lässig trat James hinter sie und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Manchmal kommen sie bei Sonnenaufgang hierher, um über den Rasen zu tollen.« Er grinste, als er spürte, wie Louisa unter seiner Berührung erstarrte. »Vielleicht begreifst du ja jetzt, was du alles verpasst, wenn du dich weiter in deinem Boudoir verbarrikadierst. Der Anblick der Gaben der Natur ist doch etwas Wunderbares.«
»Kommt ganz darauf an. Auf den Anblick deiner Gaben der Natur jedenfalls kann ich gut und gerne verzichten. Und überhaupt finde ich dich ziemlich unanständig.«
»Schon gut, du hast ja recht. Von Zeit zu Zeit bin ich tatsächlich unanständig.« Sachte beugte er sich zu ihr hinab und flüsterte dicht an ihrem Ohr: »Ein wenig.« Damit trat er wieder vom Fenster zurück. »Heute kommen noch einmal die Handwerker, sodass es wohl wieder ziemlich laut werden wird, und ich dachte mir, dass wir noch einen Ausflug machen könnten, bei dem ich dir meine Pächter vorstelle.«
Begeistert wirbelte Lu herum. »Oh ja, das wäre -« Schockiert riss sie die Augen auf, als sie sah, dass er noch immer nackt war, und beendete ihren Satz leise: »Fantastisch.«
»Vielen Dank auch«, scherzte James und ergötzte sich an Lus knallroten Wangen.
Wütend funkelte sie ihn an und fluchte im Stillen: Ich will verdammt sein, wenn ich noch einmal den Blick von ihm abwende! »Pass bloß auf, mein Lieber, dass ich mich nicht irgendwann an dein frivoles Auftreten gewöhne. Dann war’s das nämlich mit dem ständigen Rotwerden!«
»Ich denke, auch dann schaffe ich es noch, dass du vor mir errötest«, grinste James. »Dann
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