Symphonie der Herzen
zeige ich dir nämlich, welche Anstößigkeiten ich sonst noch auf Lager habe.«
»Was meinst du, James? Dieses Reitkostüm ist doch hoffentlich nicht zu ausgefallen für einen Besuch bei deinen Pächtern?«
Bewundernd ließ James seinen Blick an Lus schlanker Gestalt hinabwandern. »Nein, ganz sicher nicht. Immerhin bist du die Herrin des Hauses. Die Pächter werden also gewiss nicht erwarten, dass du dich in Sack und Asche hüllst. Außerdem kann man in Irland mit einem so frischem Grün, wie du es heute trägst, sowieso nichts falsch machen.«
Zügig ritten James und Louisa von dannen, wobei sich ihnen auf jedem der kleinen Pachtbauernhöfe in etwa die gleiche Szene bot: Kaum dass die Kinder - besonders die Jungen - James erblickten, kamen sie auch schon auf ihn zugestürmt, und erstaunlicherweise kannte James fast alle beim Namen. Wieder einmal wurde Lu bewusst, wie gerne James Kinder mochte und wie sehr auch die Kinder ihn liebten.
Während Abercorn sich also mit den Männern unterhielt und fachmännisch über die Aussaat und das Vieh diskutierte, luden die Frauen ihre junge Herrin in ihr Haus ein und wünschten ihr alles Gute zur Hochzeit. Anschließend boten sie ihr selbst gebrautes Malzbier an und eine kleine Kostprobe von den Genüssen, die bei ihnen gerade im Ofen schmorten. Zumeist folgte dann noch ein kleiner Rundgang durch den hofeigenen Kräutergarten, woraufhin Louisa die Bäuerinnen irgendwann bat, ihr doch bitte ein paar Ableger der Pflanzen zum Herrenhaus hinaufzuschicken, auf dass auch sie ihren eigenen Kräutergarten anlegen könnte. Vor allem lobte Louisa die Bäuerinnen für ihre liebevoll gepflegten kleinen Häuser und beglückwünschte sie zu ihren Kindern und war ehrlich erstaunt, als sie erfuhr, dass die Kinder sich jeden Morgen für ein paar Stunden zusammenfanden, um Lesen und Schreiben zu lernen.
Nachdem James ihr die Höfe der Pachtbauern sowie seinen eigenen privaten kleinen Hof gezeigt hatte, schlug er Lu vor, ihr noch sein neuestes Projekt vorzustellen. »Bis dorthin sind es noch einmal knappe fünfzehn Kilometer. Wenn du meinst, dass du noch so weit reiten kannst? Es würde sich in jedem Fall lohnen, denn nicht alle meine Pächter sind Bauern.«
»Das klingt ja ziemlich geheimnisvoll. Und, ja, ich würde liebend gerne sehen, worum es sich dabei handelt.«
Es dauerte eine Weile, bis sie an ihrem Ziel angelangt waren, doch kaum dass in der Ferne ein großes graues Steingebäude sichtbar wurde, begann James auch schon zu erklären: »Ursprünglich war das mal eine alte Kornmühle gewesen. Aber im letzten Jahr habe ich die Mühle fast komplett umbauen lassen, sodass es nun eine Flachsspinnerei ist. Sie wird von drei Brüdern geführt, den Gebrüdern Herdman, und die haben den Umbau komplett allein bewältigt. Ich habe lediglich die Maschinerie gekauft.«
Stolz stellte Abercorn seiner Frau James, John und George Herdman vor, welche alle drei kräftige junge Burschen waren. George, der Jüngste, gab Louisa eine kleine Führung durch die Spinnerei und erklärte ihr, welche verschiedenen Stadien der Verarbeitung der Flachs durchlaufen musste, ehe das feine Garn auf riesige Rollen aufgespult werden konnte. Interessiert stellte Louisa fest, dass mindestens die Hälfte der Angestellten Frauen waren.
Als sie ihre Besichtigungstour beendet hatten, geleitete George seine junge Herrin zurück zu James, der mit dem ältesten der drei Brüder bereits in ein angeregtes Gespräch über die geschäftlichen Entwicklungen vertieft war.
»Wir drei würden Euch die Spinnerei gerne abkaufen, Lord Abercorn«, verkündete George. »Aber ich fürchte, es dauert noch Jahre, bis wir das nötige Geld zusammengespart haben.«
Nachdenklich schaute James ihn an. Schließlich erwiderte er: »Ich mache Euch einen Vorschlag! Wie wäre es, wenn ich Euch den Betrieb einfach verpachte? Ihr leistet schließlich verdammt gute Arbeit hier, und das Geschäft brummt, und auch die Angestellten scheinen alle hochzufrieden. Ich schlage Euch also vor, dass Ihr mir einfach einen jährlichen Pachtzins zahlt. Dafür dürft Ihr die Erträge aus dem Flachsgeschäft für Euch behalten.«
Aufgeregt steckten die drei Brüder die Köpfe zusammen und diskutierten über James’ Angebot, doch man war sich schnell einig. Anschließend wurde noch die Höhe der Pacht verhandelt und die Laufzeit des Vertrages.
»Wie wäre es mit genau einhundert Jahren?«, schlug James vor. »Meinetwegen können wir auch einen Passus in den Vertrag
Weitere Kostenlose Bücher