Symphonie der Herzen
Miete und lädt mich regelmäßig zum Essen ein. Und dann macht er mir auch noch so mancherlei Geschenke. Warum zur Hölle soll ich ihn dann weiterhin >Lord Abercorn< nennen? Und warum sollte ich sein Angebot nicht annehmen und herkommen, wenn ich seine Hilfe brauche?«
Louisas Herz schien zu Eis zu gefrieren, während eine böse Vorahnung sie beschlich und sie zögernd ins Innere des Hauses trat. »Kitty, bist du das?«
Die junge Frau wirbelte herum, und Lu musste vor Überraschung hart schlucken, als sie sah, dass Kitty hochschwanger war. »Aber -was machst du denn hier?« Bitte, lieber Gott, lass das Kind nicht von James sein!
»Jane! Das Gleiche könnte ich auch Euch fragen. Aber da Ihr nun einmal zuerst gefragt habt: Barons Court ist mein Zuhause. Und Kate Connelly ist meine Mutter. Und überhaupt ist >Kitty Kelly< bloß mein Bühnenname.«
»Aber, Kitty! Wie redest du denn mit der Lady? Das ist die Marquise von Abercorn«, wies die Haushälterin ihre Tochter scharf zurecht.
Kampfeslustig stemmte Kitty die Hände in die Hüften. »Aha. Dann ist Euer Name also gar nicht >Jane<. Vielmehr seid Ihr die Lady Louisa, die hochwohlgeborene Tochter des Herzogs und der Herzogin von Bedford. Und als solche hüpft Ihr über die Bühne vom Covent Garden Theatre? Wenn das die noblen Herrschaften wüssten!«
»Es tut mir ja so leid, Lady Abercorn. Aber meine Tochter hat offenbar vergessen, was sich gehört...«
»Ganz im Gegenteil! Ich weiß ganz genau, was sich gehört, und vor allem, was mir gehört. Unter anderem ist nämlich dieser verdammte Herrensitz hier mein Zuhause.« Mürrisch hob Kitty das Kinn. »Also, wo ist Euer Ehemann, Mylady? Er und ich haben einiges miteinander zu besprechen.«
Louisa hatte einen solch harten und schmerzhaften Kloß in der Kehle, dass sie kaum sprechen konnte. »Lord Abercorn ist geschäftlich außer Hause.«
Währenddessen starrte Kate Connelly wie hypnotisiert auf den runden Bauch ihrer Tochter und fragte schließlich mit beschämtem Flüstern: »Sag, wann ist das passiert?«
»Na, als ich über die Weihnachtstage hier gewesen bin natürlich!«
Aha, dann haben Kitty und James also die Weihnachtstage gemeinsam hier auf Barons Court verbracht, dachte Louisa tieftraurig. Ich frage mich nur, warum er mir nie erzählt hat, dass Kitty Kates Tochter ist... Mit einem Mal jedoch begriff sie, und ihre Knie fühlten sich an, als wären sie aus Wackelpudding. Aber natürlich hat er es mir nicht erzählt! Warum sollte er auch? Immerhin ist die Tochter seiner Haushälterin seine Geliebte!
»Und überhaupt«, riss Kitty Louisa sogleich wieder aus deren trübseligen Gedanken. »Hat denn keine von euch beiden auch nur einen Funken Anstand im Leib? Wie könnt ihr mich in meinem Zustand nur so lange hier stehen lassen? Lasst gefälligst ein Zimmer für mich herrichten.«
Schweigend, doch mit funkelndem Blick zog Louisa einmal energisch an der Klingelschnur. Kurz darauf erschien Molly in der Tür. »Bitte zieht in einem der Gästeapartments frische Laken auf«, befahl Louisa ihr. »Und tragt das Gepäck dieser Dame hinauf.«
Derweil schienen Molly fast die Augen aus dem Kopf zu fallen, als sie auf Kittys Bauch starrte. »Ja ... Mylady«, stammelte sie. Dann nahm sie schweigend Kittys Tasche und ging wieder; Kitty folgte ihr mit hoch erhobenem Kopf.
Aus Kates Gesicht war unterdessen sämtliche Farbe gewichen. »Lady Abercorn, ich schäme mich so dermaßen für das ungebührliche Betragen meiner Tochter.«
Louisa aber presste die Lippen zusammen und schüttelte nur stumm den Kopf. Anschließend folgte sie Kitty Kelly, während diese mit schweren Schritten die Treppe erklomm. Als Molly außer Hörweite war, schlich Lu sich von hinten dicht an Kitty heran und stellte endlich jene eine Frage, die ihr schon die ganze Zeit über auf der Zunge gebrannt hatte: »Ist etwa James der Vater deines Kindes?«
Das hübsche rothaarige Chormädchen musterte Louisa einmal von Kopf bis Fuß und antwortete schließlich mit fester Stimme: »Ja.«
Reglos blieb Lu stehen, während Kitty weiter den Korridor hinabmarschierte; eisig kalt schloss sich die klamme Hand der Trauer um Lus Herz. Noch vor wenigen Minuten war sie die glücklichste Frau in ganz Irland gewesen. Nun aber war ihr Herz gebrochen. Langsam schlich sie zurück in ihr Boudoir und sank auf ihr Bett.
Ist es wirklich erst heute Morgen gewesen, überlegte sie im Geiste, dass ich James erlaubt habe, zu mir in die Wanne zu klettern und mich dort zu lieben?
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