Symphonie der Herzen
Heiß rannen ihr die Tränen über die Wangen, und sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ihr ganzes Leben schien bloß noch ein einziger Scherbenhaufen zu sein.
Niedergeschlagen und vollkommen unfähig, sich zu rühren, saß Louisa da - bis ihr Schmerz sich langsam in Zorn verwandelte, und dann, urplötzlich, war sie da: eine schier unvorstellbare Wut! Und in genau diesem Moment sah sie auch noch, wie Molly an ihrer geöffneten Zimmertür vorbeiging. »He, Molly!«, rief sie spontan. »Komm mal her. Ich brauche deine Hilfe.«
Geflissentlich kam Molly in Lus Boudoir geeilt, den Blick zu Boden gesenkt.
»Hilf mir, meine Sachen zu packen. Ich nehme auch bloß die Kleider mit, die dort in dem kleinen Kleiderschrank hängen. Den Rest lass ich später nachschicken.« Rasch rief Lu auch noch einen Lakaien herbei. »Und Ihr lasst bitte umgehend die Kutsche für mich anspannen. Und dann holt Ihr mein Gepäck.«
Sie hob die Hände an ihre Ohrläppchen, wollte sich soeben die Ohrringe abreißen, als sie plötzlich innehielt, denn sie hatte es sich anders überlegt. Nein!, schimpfte sie im Geiste. Du Bastard! Du verdammter irischer Bastard! Du Vater eines Bastards! Diese Juwelen habe ich mir verdient. Ich habe mich dir hingegeben, habe dir wahrlich alles gegeben. Und was ist die Belohnung dafür? Dass mit einem Mal Kitty Kelly vor der Tür steht und Besitzansprüche an meinen Ehemann stellt!
Rasend vor Wut packte Lu ihre Bürsten und Kämme zusammen, nahm ihre Puderdose und den Lippenstift und stopfte alles in ihr
Retikül. Dabei stellte sie fest, dass sie kaum mehr als eine Handvoll Goldmünzen in ihrem Täschchen hatte.
Zur Hölle aber auch! Ich habe ja überhaupt kein Geld. Aber ich weiß, wo ich welches bekomme! Auf zu Rowan Maloney, diesem verfluchten Schergen.
Als Louisa in Omagh aus der Kutsche stieg, war sie ganz in Purpurrot gekleidet, und passend zu ihrem Reisekostüm trug sie auch noch einen purpurroten Hut mit einer langen cremefarbenen Straußenfeder sowie cremefarbene Glacelederhandschuhe. »Wartet hier auf mich«, befahl sie dem Kutscher. »Ich bin gleich wieder da.«
»Lady Abercorn«, schallte ihr kurz darauf die Stimme von Rowan Maloney entgegen. »Was für eine angenehme Überraschung.« Der Anwalt sank in eine tiefe Verbeugung.
»Ja, >Überraschung< mag wohl stimmen. Aber ob diese auch noch angenehm ist, möchte ich doch wohl stark bezweifeln.«
Leicht verwirrt, doch nichtsdestotrotz galant bat James’ Anwalt Lu, Platz zu nehmen. »Wie kann ich Euch behilflich sein, Mylady?«
Stoisch blieb Lu dicht vor der Nase des Anwalts stehen. »Indem Ihr mir meine eintausend Pfund Jahresapanage aushändigt, Mr Maloney.«
»Aber natürlich, Mylady. Ich nehme an, als Verrechnungscheck?«
»Nein. Ich will das Geld in bar.«
Maloneys Augenbrauen zuckten verräterisch, während er eisern darum kämpfte, Haltung zu bewahren. »Selbstverständlich, Mylady.« Er schluckte. »Wenn Ihr derweil vielleicht doch einmal kurz Platz nehmen möchtet. Ich werde die Auszahlung umgehend in die Wege leiten.«
Fast schon fluchtartig verließ er das Zimmer, während Lu sich hinsetzte. Wenige Minuten später aber sprang sie auch schon wieder aus ihrem Sessel auf, als sie nämlich die Stimme ihres Ehemannes hörte. Himmel Herrgott nochmal!, fluchte sie. Den habe ich ja völlig vergessen! Richtig, er wollte ja heute seinen Notar aufsuchen. Louisa atmete einmal tief durch, um sich für das anstehende Donnerwetter zu rüsten.
Lächelnd betrat James den Raum. »Lu! Das ist aber nett, dass du gekommen bist, um mich hier abzuholen.«
»Mach dir keine falschen Hoffnungen«, wies Louisa ihn scharf zurecht. »Ich bin bloß hier, um mir mein Geld zu holen. Ich fahre nach Hause. Nach England.«
James’ Lächeln verblasste, und irritiert runzelte er die Stirn. »Was ist denn los? Hast du schlechte Nachrichten erhalten?«
»Oh ja, das habe ich. Und die Überbringerin war ein gewisses rothaariges Mädchen aus dem Chor am Covent Garden Theatre.« Lus grüne Augen glitzerten vor Zorn.
Unterdessen gruben sich die Runzeln immer tiefer in James’ Stirn ein. »Du meinst Kitty?«
»Ja, meine ich. Oder wie viele rothaarige Geliebte hast du sonst noch?«
»Lu, ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich dich da gerade richtig verstehe ...«
»Schlimmer noch - du hast mich wahrscheinlich noch nie richtig verstanden.«
»Wovon zur Hölle redest du eigentlich?«
Louisa verengte ihre Augen zu schmalen Schlitzen. »Ich rede davon, dass ich
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