Symphonie der Herzen
das nichts mehr mit dem Heiraten. Himmel Herrgott! Ich weiß überhaupt nicht, was ich heute Abend anziehen soll.« Aufgeregt und mit hochroten Wangen wühlte Georgy durch ihren Kleiderschrank.
»Ich glaube«, erwiderte Louisa und verzog das Gesicht, »ich verzichte heute lieber aufs Abendessen. Denn das Einzige, was noch schlimmer ist als ein Dinner mit Edward, Charles und Jack, das ist ein Abendessen mit ihren ungehobelten Freunden.« Männliche Wesen, besonders jene um die zwanzig, waren für Louisa im Augenblick ein rotes Tuch. Dieses Gerücht, das ihre Mutter und den jungen Landseer umrankte, hatte ihr schwer zugesetzt, und sie mied Edwin und mit ihm alle anderen jungen Männer seither geflissentlich. Sogar ihr sonst so herzliches Verhältnis zu ihrer Mutter war merklich abgekühlt, und überhaupt hatte Louisa das Gefühl, als ob ihr alle Welt mit einem Mal fremd geworden sei.
»Bist du dir sicher? Immerhin gelten die Oxford-Absolventen als die Crème de la Crème der verfügbaren Junggesellen. Die meisten unserer Premierminister zum Beispiel haben ihre Ausbildung in Oxford genossen. Sie haben einen politischen Intellekt, der seinesgleichen sucht. Du bist doch sonst so politikinteressiert.«
»Ja, schon, aber nicht heute. Denn, ehrlich gesagt, ist auch das noch kein Argument für mich, mich mit diesen Kerlen einzulassen. Und auch du wirst dich wohl nur schwerlich für ihren >Intellekt< begeistern. Nein, dich interessiert doch etwas ganz anderes.«
Georgy lachte unbekümmert und überging den beißenden Spott ihrer Schwester galant. »Ich fürchte, da hast du wohl recht. Ich interessiere mich in der Tat mehr für die Physis als für den Geist dieser Herren.«
Gegen Spätnachmittag nahmen sechs junge Adlige in John Russells Bibliothek Platz, jeder mit einem bauchigen Glas Bordeaux in der Hand. Die drei Söhne des Herzogs hatten jeder einen Freund mitgebracht, um gemeinsam die Ferien in Woburn Abbey zu verbringen. Edwards bester Freund hieß Teddy Fox und war der Sohn von Lord Holland. Die beiden jungen Männer hatten gerade ihr Studium in Oxford abgeschlossen.
»Und was habt Ihr nun vor, Teddy?«, fragte der Herzog interessiert. »Ich nehme an, Ihr wollt jetzt erst einmal all Euren Freunden einen Besuch abstatten?«
»Nein, Sir. Das halte ich für reine Zeitverschwendung. Ich konzentriere mich lieber gleich auf die Politik.«
»Dann strebt Ihr also einen Parlamentssitz an?«
»Ja, das wäre in jedem Fall schon einmal ein ganz guter Anfang. Und irgendwann würde ich dann gerne in den diplomatischen Dienst eintreten.«
»Soweit ich weiß, ist zurzeit das Mandat für Horsham in West Sussex vakant. Ich könnte ja einmal mit Eurem Vater sprechen. Wenn wir uns gemeinsam für Euch einsetzen, solltet Ihr keine Schwierigkeiten haben, diesen Posten zu erlangen.« Denn obgleich der Herzog von Bedford politisch schon lange nicht mehr aktiv war, besaß er doch noch eine ganze Reihe nützlicher Kontakte und konnte, wenn er wollte, noch so mancherlei Geschicke lenken.
»Ich danke Euch vielmals, Sir.« Frohgemut prostete Teddy dem Herzog zu und leerte sein Glas mit einem einzigen Zug.
»Prima!«, lobte auch Edward Russell Teddys Entscheidung. »Ich werde dich in jedem Fall unterstützen. Aber sobald du gewählt worden bist, möchte ich gerne eine Karriere als Marineoffizier beginnen, und dann setze ich auf deine Rückendeckung.«
»Was mich betrifft, so möchte ich lieber zur Armee«, mischte Charles sich in die Unterhaltung ein. »Nur dauert es leider noch ein Jahr, bis ich meinen Abschluss in der Tasche habe.«
John Russell ließ seinen Blick von Charles zu Edward schweifen und erklärte mit leisem Missfallen: »Ich wünschte, auch ihr beide würdet den Weg in die Politik anstreben und nicht eine Karriere beim Militär. Aber wie ihr meint. Ich werde in jedem Fall versuchen, auch euch behilflich zu sein. Vielleicht könnte ich sogar mal den Herzog von Clarence nach Woburn einladen. Sicherlich, es ist schon einige Jahre her, seit William seinen Posten als Großadmiral aufgegeben hat. Aber ich schätze, er könnte noch immer so manches bewegen. Am besten, ich schreibe ihm noch heute Abend einen Brief.«
Interessiert spitzte auch George Grey die Ohren. »Das wäre wirklich fantastisch, Euer Hoheit. Denn auch ich würde gern der Marine beitreten.«
»Was mich angeht, so kannst du dir ruhig noch ein bisschen Zeit lassen, ehe du deine alten Kontakte reaktivierst«, lachte dagegen Jack. »Ich weiß noch nicht, wohin es
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