Symphonie der Herzen
haben.«
»Zumal er im Gegensatz zu Edward und mir auch keinerlei Bestrebungen zeigt, sich dem Militär zuzuwenden. Und anders als du und Johnny interessiert er sich auch nicht für die Politik.«
»Trotzdem ist er ein guter Bursche. Wir werden schon irgendetwas für ihn finden, womit er sich seinen Lebensunterhalt verdingen kann.«
Von der Galerie im Obergeschoss aus beobachteten derweil die beiden Russell-Schwestern höchst interessiert die Gruppe junger Männer, die gemeinsam mit ihren Brüdern gerade die Bibliothek verließen. Tatsächlich waren die beiden Mädchen sogar regelrecht verzückt von den Burschen - zumindest von einem ganz bestimmten.
»Gütiger Gott, sieh dir bloß mal diese Schultern an. Selbst der dicke Tweed-Gehrock kann seine Muskeln nicht verbergen.« Begierig leckte Georgy sich einmal über die Lippen.
»Ja, er ist sehr groß. Und so dunkel...« Louisa erschauerte. Der junge Mann, von dem sie sprachen, bewegte sich mit der Geschmeidigkeit eines Panthers und hielt stolz den Kopf erhoben. Jede einzelne Faser seines Körpers verriet seine edle Abstammung. Das ist der verführerischste Mann, den ich je gesehen habe, dachte Louisa irritiert. Er sieht aus wie ein junger Gott, der vom Olymp herabgestiegen ist, um sich gnädigst unter das Menschenvolk zu mischen. Sie war ehrlich verblüfft. Zugleich ahnte sie bereits, dass gerade seine Attraktivität diesen jungen Mann zu einem gefährlichen Gegner machte.
»Gott hat meine Gebete erhört«, seufzte unterdessen Georgy. »Endlich hat er mir einen unverheirateten Mann geschickt, der so gut aussieht, dass mir schon beim bloßen Hinsehen die Knie schwach werden.«
Louisa dagegen rümpfte leicht angewidert die Nase. »Meiner Erfahrung nach sind die attraktivsten Männer meist auch die arrogantesten. Sie denken nur an sich. Andere existieren für sie überhaupt nicht.«
»Ach, Lu! Wen kümmert das denn schon, wenn sie dafür so gut aussehen? Und überhaupt -«
»Nanu, wen haben wir denn da?«, fiel Louisa ihr ins Wort. »Das ist doch Teddy Fox! Warum verbringt der die Ferien denn nicht auf seinem eigenen Anwesen?«
»Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund, weshalb auch sein Vater, Lord Holland, ständig hier ist: Es muss an der rätselhaften Magie von uns Russell-Frauen liegen.« Georgy kicherte keck. »Ich frage mich bloß, wen Jack wohl eingeladen hat?«
»Hoffentlich nicht Lord Käsefuß von Kneif-in-den-Arsch! Erinnerst du dich noch an den? Diesen seltsamen Kerl, den er das letzte Mal mitgebracht hat?«
»Oh, ja. Der war ja hinter allem her, was einen Rock anhatte. Obwohl ich diesen Charakterzug irgendwie auch wieder anziehend fand ... Mich jedenfalls hat es nicht gestört.«
»Nun ja, mittlerweile sind unsere Brüder ja schon ein Jahr älter. Lass uns also hoffen, dass sie in der Zwischenzeit ein bisschen erwachsener geworden sind und gelernt haben, wie man sich in Gegenwart von Damen benimmt.«
»Dass unsere Brüder inzwischen gelernt haben, wie man sich benimmt, das mag schon sein. Was hingegen diesen dunkelhaarigen jungen Gott angeht - keine Chance. Der nimmt sich, was er haben will, und schert sich nicht um Konventionen.«
»Georgy, ich habe ja verstanden, dass du dich für ihn interessierst. Trotzdem brauchst du nicht gleich so zu übertreiben.«
»Und du könntest dir mal deine mahnenden Kommentare sparen.«
Louisa seufzte einmal ziemlich enerviert und verdrehte die Augen zur Zimmerdecke.
»Ich glaube, Mr Burke weist ihnen gerade ihre Zimmer zu«, sinnierte Georgy mit listigem Blinzeln. »Bestimmt im Westflügel, wenn ich mich nicht irre, also ganz in der Nähe unserer Brüder.«
»Ja, wenn er klug ist, behält er die Unholde dicht beisammen.«
»Dann warten wir doch einfach, bis Burke wieder zurückkehrt! Er kann uns dann mit Sicherheit auch verraten, wer genau diese Burschen sind.« »Ihr erinnert Euch doch gewiss noch an George Grey, Mylady, nicht wahr? Er ist schon einmal hier gewesen; damals noch in Begleitung seiner Eltern. Und da wir gerade vom Grafen und von der Gräfin Grey sprechen: Auch sie werden in Kürze zu Besuch kommen.«
Georgy aber lachte bloß und spottete: »Hätte ich diesen George angeschaut, hätte ich ihn bestimmt auch wiedererkannt, das kann schon sein. Aber, ehrlich gesagt, hatte ich nur Augen für diesen verflixt attraktiven Teufel. Ich meine diesen großen Burschen mit dem dunklen Haar.«
»Ihr meint sicherlich James Hamilton, den Marquis von Abercorn«, erklärte Burke, ohne eine Miene zu verziehen.
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