Symphonie der Herzen
sich die zehn Teilnehmer schon bald auf ihre Tiere und trotteten der Rennbahn entgegen. Georgy ritt genau zwischen Teddy Fox und George Grey und gab sich alle Mühe, mit beiden gleichzeitig zu flirten.
Anschließend reihte man sich ruhig und gesittet entlang der Startlinie auf und wartete auf das vereinbarte Signal. Mit gewichtigem Ausdruck auf dem Gesicht hob Toby die Startfahne und ließ sie dann mit einer abrupten, blitzschnellen Handbewegung wieder sinken. Sofort flogen die Dreckklumpen in alle Himmelsrichtungen, während die Pferde mit donnernden Hufen davongaloppierten. Auf dem ersten Viertel der Rennstrecke waren die Reiter noch alle gleichauf, bis Georgy sich als Erste hinter die anderen zurückfallen ließ. Auf der Hälfte der Strecke übernahmen dann die beiden Wallache die Führung. Um sie zu überholen, drängte Edward sein Tier auf die Außenbahn, wobei er leider prompt das Gleichgewicht verlor, aus dem Sattel fiel und auf die weiche Grasnarbe stürzte. Die anderen Brüder versuchten verzweifelt, ihrem Bruder auszuweichen, verloren dabei jedoch wertvolle Zeit. Als etwa drei Viertel der Strecke hinter ihnen lagen, zeigte die Araberstute von Abercorn plötzlich, was in ihr steckte, und drängte sich bis ganz nach vorn an die Spitze. Und auch Louisa, die zwar genau wusste, dass sie James nicht mehr würde einholen können, setzte zum entscheidenden Endspurt an, indem sie sich tief über den Hals ihres Pferdes beugte und geradewegs an Teddy und George vorbeipreschte, deren große, schwere Tiere mittlerweile ziemlich außer Atem waren.
Während Toby wenig später also in aller Seelenruhe die Gewinnanteile berechnete und sorgsam ein Münzhäufchen neben dem anderen aufschichtete, überschütteten die Russell-Brüder Edward geradezu mit Beleidigungen und machten ihn für ihre Niederlage verantwortlich.
Schließlich hatte Toby die Gewinne alle aufgeteilt und verkündete mit breitem Grinsen: »Lady Louisa hat den Löwenanteil gewonnen.«
»Wie zum Teufel hast du es geschafft, gleich als Zweite durchs Ziel zu gehen?«, verlangte Jack wütend zu wissen.
»Weil mein Pferd am wenigsten Gewicht zu tragen hatte.«
»Und woher, bitte schön, hast du gewusst, dass Abercorn uns alle besiegen würde?«
Louisa schaute zu James Hamilton hinüber, während dieser gerade seinen Gewinn entgegennahm, und für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke. Nur eine knappe Schrecksekunde später wandte Lu sich aber auch schon wieder ab und erwiderte mit betont nonchalantem Lächeln: »Ich habe gar nicht auf ihn gesetzt; stattdessen habe ich auf sein Pferd gewettet. Es ist schließlich allgemein bekannt, dass bei der Zucht der Araber die Schnelligkeit der Tiere und ihr leichter Körperbau im Vordergrund stehen. Und genau das war mein Auswahlkriterium. Sonst nichts. Mit Abercorn dagegen hatte meine Entscheidung überhaupt nichts zu tun.« Dreist log sie ihren Brüdern mitten ins Gesicht. Denn natürlich hatte sie längst bemerkt, dass der junge James Hamilton einen geradezu unbezwingbaren Willen hatte.
Der Starrsinn scheint ihm regelrecht angeboren zu sein, dachte sie und musterte abermals seine sportliche Gestalt. Sicherlich, er gibt sich zwar immer größte Mühe, möglichst charmant aufzutreten, und er lächelt viel. Andererseits glaube ich, wenn der sich was in den Kopf gesetzt hat, dann lässt er nicht so schnell locker. Nein, der gibt ganz bestimmt nicht auf, bis er endlich hat, was er will. Louisa erschauerte.
Mit steifen Gliedern folgte Georgy ihrer Schwester in deren Schlafgemach. »Himmel Herrgott!«, fluchte sie. »Hilf mir endlich aus diesem verdammten Reitkostüm heraus. Ich kriege kaum noch Luft.«
Hilfsbereit öffnete Louisa die Knöpfe am Rücken von Georgys
Kleid, ehe sie damit fortfuhr, sich aus ihrem eigenen Kostüm herauszuschälen.
»Das Schlimmste, was man machen kann, Lu, ist, besser zu sein als ein Mann«, erklärte Georgy. »Denn das demütigt ihn! Wenn du dagegen verlierst, dann fühlt er sich als der große Gewinner, und das schmeichelt ihm. Aber du hast offenbar noch immer nichts dazugelernt ...« Seufzend schaute sie ihre Schwester an.
»Nun, ich weiß zumindest, dass ich es ziemlich peinlich finde, irgendwelche Spielchen zu spielen, nur um einen Mann an Land zu ziehen.«
Schnaufend ließ Georgy sich auf Louisas Bett fallen. »Da irrst du dich aber, meine Liebe. Denn einen Ehemann zu finden ist definitiv kein Spiel, sondern bitterer Ernst. Hast du denn immer noch nicht begriffen, dass du ohne
Weitere Kostenlose Bücher