Symphonie der Herzen
stattfinden sollte, und ließ die Kissenschlacht fürs Erste sein. Stattdessen räumten alle gemeinsam die Galerie auf, um sich dem Kartenspiel zuzuwenden. Lu empfand Abercorns Gegenwart als derart verstörend, dass sie sich ganz bewusst von ihm distanzierte und lieber mit ihren Brüdern spielte. Verbissen konzentrierte sie sich darauf, ihnen die eine oder andere Guinea abzuluchsen; sie brauchte dringend etwas Geld, um bei dem morgigen Pferderennen mitwetten zu können.
Georgy dagegen spielte um etwas ganz anderes. Sie pokerte fast ausschließlich mit den Freunden ihrer Brüder, Teddy Fox, George Grey und James Hamilton, und ging so manches Risiko ein. Dabei flirtete sie ganz ungeniert und deutete an, dass sie unter Umständen dazu bereit wäre, um gewisse kleine »Gefälligkeiten« zu spielen.
Müde folgte Georgy ihrer Schwester in deren Schlafgemach. »Wenn ich es mir recht überlege, ist es eigentlich kein Wunder, dass James Hamilton so außerordentlich muskulös ist«, sinnierte sie. »Ich meine, er ist schließlich einer der besten Ruderer von ganz Oxford. Wie sagt man doch so schön? Muskeln machen Männer!«
Louisa vermied es lieber, an den irischen Charmeur zu denken, geschweige denn, dass sie sich zu einer Diskussion über dessen muskulöse Schultern verleiten lassen wollte. Hastig wechselte sie das Thema. »Ich fand es übrigens ziemlich gemein von Bessie, das Gespräch auf Mutters Schwester Susan zu bringen. Sie weiß doch ganz genau, was für einen Skandal diese Scheidung damals verursacht hat.«
»Nach allem, was ich vernommen habe, muss der Herzog von Manchester wohl genauso ein Adonis gewesen sein wie Abercorn. Und offenbar hatte er eine ganze Schar von Mätressen. Die Frauen haben sich ihm scheinbar regelrecht an den Hals geworfen - was Susan schließlich schier zur Verzweiflung brachte, sodass auch sie sich in eine Affäre stürzte. Doch dieser schlitzohrige Teufel hatte natürlich genau aufgepasst und diese eine einzige Affäre dann prompt gegen sie verwendet: Er ließ sich von ihr scheiden und hat ihr dann auch noch die Kinder weggenommen.«
»Männer können so selbstsüchtig und so grausam sein ... besonders die, denen Gott auch noch ein attraktives Äußeres geschenkt hat. Und im Gegensatz zu uns Frauen müssen sie für ihre Sünden auch nie bezahlen.« Nur unter Mühen schaffte Louisa es, den jungen Abercorn aus ihren Gedanken zu verbannen. »Aber so ist das nun einmal im Leben: Manche kommen eben mit allem davon. Wenn ich es richtig verstanden habe, soll er sogar zum Gouverneur von Jamaika berufen worden sein.«
»Wo er garantiert ebenfalls eine ganze Horde von Bastarden in die Welt gesetzt hat.« Georgy gähnte herzhaft und öffnete die Tür zu ihrem eigenen Schlafzimmer, das gleich nebenan lag. »Gute Nacht, Lu. Ich wünsche dir süße Träume. Träume voll begieriger, gut aussehender Junggesellen.«
Als Louisa in ihrem Bett lag, musste sie wieder an die Wette denken, die sie mit ihrer Schwester geschlossen hatte. Es war nicht mehr lange hin bis zu ihrem Geburtstag, und ihre Möglichkeiten, zuvor noch einen Mann zu küssen, waren begrenzt. Dann muss ich mich wohl an einen der Freunde meiner Brüder wagen, dachte sie. Ja, genau, ich werde einfach irgendeinem von meiner Wette mit Georgy erzählen, und dann wird derjenige sich meiner schon erbarmen. Wen von den Jungs kenne ich denn am längsten? Teddy! Der wird mich bestimmt nicht hängen lassen. Interessanter wäre natürlich dieser Abercorn ... Doch der bloße Gedanke an den groß gewachsenen Iren genügte, und schon krampfte sich Louisas Magen wieder unangenehm zusammen. Nein, der war viel zu arrogant und zu attraktiv, als dass sie ihn freiwillig um irgendetwas bitten würde. Wenn er mich mit diesen dunklen spöttischen Augen ansieht, fühle ich mich jedes Mal wieder wie eine Achtjährige, schimpfte Louisa im Geiste. Ein Blick von ihm genügt, und mein ganzes Selbstvertrauen ist wieder dahin.
Langsam sank Louisa in den Schlaf hinüber und träumte davon, dass Georgy, ihre Mutter und sie selbst sich in Schottland befanden, um junge Männer für das Militär anzuwerben. Sie boten den angehenden Soldaten je eine Guinea und einen Kuss, wenn diese sich dafür dem Regiment unter Gordon anschließen wollten. Und in der Tat war die Reihe an raufwütigen jungen Männern schier unendlich: mindestens anderthalb Kilometer lang. Doch immer, wenn Louisa einen der Männer küssen wollte, tauchte der Betreffende einfach unter ihr hinweg und reichte
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