Symphonie der Herzen
sie weiter an den nächsten. Und als wollten sie Lus Demütigung noch auf die Spitze treiben, stellten die Burschen sich stattdessen bei der verführerischen Herzogin von Bedford an und bei der unscheinbaren Georgy.
Nach einer ziemlich unruhigen Nacht stieg Louisa am nächsten Morgen früh aus den Federn. Glücklicherweise verblassten die Erinnerungen an den scheußlichen Traum schon bald und waren wenig später bereits gänzlich vergessen, denn Louisa hatte Wichtigeres im Sinn. Vor dem Frühstück - vor allem aber vor dem Rennen -wollte sie rasch einmal in die Ställe schlüpfen, um die Pferde von Teddy, George und James in Augenschein zu nehmen. Hastig zog sie sich ihr Reitkostüm über, schnürte die Stiefel fest, und dann war sie auch schon verschwunden.
Ihr Weg führte sie direkt am Westflügel vorbei, wo die jungen Männer untergebracht waren, und ganz unbedacht hob Louisa einmal den Blick und schaute zu der langen Reihe von Fenstern hinauf. Prompt entdeckte sie dort einige Gestalten, die den Gästen aus Oxford verdächtig ähnlich sahen, und wandte den Blick rasch wieder ab. Hoffentlich war nicht auch dieser Abercorn unter ihnen gewesen! Denn Louisa war schüchtern und mochte sich gar nicht ausmalen, was die jungen Kerle nun wohl gerade über sie sagten. Ein Glück, dass sie nicht ihre Stimmen hören konnte!
»Lady Lu und Georgy sind so verschieden wie Tag und Nacht«, erklärte besagter James Hamilton.
Teddy lachte. »Das kann man wohl sagen. Die eine ist schön, und die andere ist willig. Die eine tugendhaft und die andere begierig.«
Munter stimmte George Grey in die Spottverse mit ein: »Oh ja, die eine ist zum Heiraten. Die andere bekommt man ins Bett. Und da soll man sich entscheiden können? Das ist aber gar nicht nett!«
Abercorn wünschte sich unterdessen bereits, er hätte besser geschwiegen, und kehrte in sein eigenes Zimmer zurück, um sich ein Jackett anzuziehen und in den Frühstückssalon hinunterzugehen.
Teddy reimte derweil unverzagt weiter: »Die eine ist fromm, die andere ist ein Teufelsweib -« Woraufhin George Grey nur mit weiser Stimme entgegnete: »Die Hässlichen legen sich eben mehr ins Zeug.«
Teddy lachte. »Ja, es ist ein echtes Dilemma, mein Lieber. Das muss man schon sagen. Die eine ist reizend, die andere fad - da fällts nicht schwer, zu entscheiden, welche man lieber hat.«
Unten in den Ställen musterte Louisa derweil mit Kennermiene die Tiere der Gäste. Eines der Pferde hob sich ganz klar vom Rest ab, und sanft ließ Lu ihre Hand an dessen schlankem Hals hinabgleiten. Das Tier, eine Stute, war etwas kleiner als die imposanten Wallache, und sein Kopf war so fein geschnitten, wie es zumeist nur bei Arabern der Fall war. »Ein echtes Prachtexemplar«, murmelte Lu anerkennend und winkte den Stallmeister von Woburn Abbey heran. »Nach dem Frühstück werden wir uns auf unseren Pferden ein Wettrennen liefern. Würdet Ihr bitte die Wettkasse verwalten, Toby, und darauf achten, dass auch keiner schummelt?«
»Aber sicher doch, Mylady. Ihr könnt Euch auf mich verlassen. Heute wird fair gespielt.«
»Passt aber gut auf!«, warnte Louisa mit einem grimmigen Grinsen. »Die Burschen haben es in sich und werden bestimmt so manchen Trick versuchen.« Auf ihrem Weg zurück zum Frühstückssalon zählte sie die Münzen, die sie am Tag zuvor beim Pokern gewonnen hatte, und überlegte, wie sie ihre Wetten am geschicktesten platzierte.
Als sie den Salon betrat, hatten ihre Brüder und deren Freunde bereits Platz genommen. Louisa nickte einmal knapp, setzte sich aber ganz bewusst neben ihre Schwester. Interessiert beäugte sie deren Teller und flüsterte: »Das willst du doch wohl hoffentlich nicht alles essen, oder? Wenn du das alles verdrückst, gewinnst du nie!«
»Na und? Männer mögen sowieso keine Frauen, die besser sind als sie. Von daher habe ich kein Problem damit zu verlieren, wenn ich dafür auf einem anderen Gebiet gewinne. Und du? Wie steht es mit dir? Du willst doch wohl nicht auf dich selber wetten, oder etwa doch?«
Stolz reckte Louisa das Kinn. »Mag ja sein, dass ich nicht als Erste durchs Ziel gehen werde. Aber ich lasse mich in jedem Fall auch nicht kampflos schlagen!« Galant reichte sie die Platte mit dem geräucherten Vorderschinken weiter, dann die Schale mit den Eiern und den Würstchen und wählte stattdessen bloß ein wenig dunkles Brot und Honig. Anschließend schnappte sie sich noch einen Apfel und goss sich ein Glas Milch ein - das war’s.
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