Symphonie der Herzen
Takt der Musik auf den Boden und versuchte, sich den Text und die Melodie zu merken. Leider jedoch war das erste Lied nur allzu rasch wieder beendet, wie Louisa mit echtem Bedauern vermerkte und bald auch schon wieder vergaß, als nämlich die eigentliche Geschichte des Stücks sich entfaltete.
Als der Vorhang sich zur Pause abermals senkte, applaudierte Lu voller Begeisterung und seufzte: »Ist es nicht wunderbar?«
»Zumindest der Hauptdarsteller kann sich durchaus sehen lassen«, urteilte Georgy und leckte sich mit der Zunge über die Lippen.
Die Herzogin hatte sich derweil bereits wieder erhoben. Für sie waren das Spannendste am Theater von jeher nicht die Vorführungen, sondern die Pausen, wenn man durch das Foyer flanierte, alte Freunde und Bekannte traf und den neuesten Klatsch austauschte. Auch Lord John, der sie wie immer gern dabei begleitete, erhob sich von seinem Platz. Lu und Georgy hingegen zogen es vor, bei ihrem Bruder in der Loge zu bleiben, und sogleich bot Johnny sich an, ihnen ein wenig Champagner zu organisieren.
Allerdings dauerte es auffällig lange, bis John zurückkehrte, und als er endlich wieder da war, brachte er nicht nur den versprochenen Champagner mit sich, sondern auch seine Eltern, denn die Pause war fast schon wieder vorbei, und - James Hamilton!
»Seht mal, wen ich gerade unten im Foyer getroffen habe.«
Stumm vor Entsetzen starrte Lu in die dunklen Augen des jungen Abercorn.
»Setzt Euch doch«, bot unterdessen Georgina ihrem Gast an. »Wie Ihr seht, haben wir hier mehr als genug Platz. Unsere Loge ist für mindestens zwölf Personen ausgelegt.«
Höflich verbeugte James sich vor dem Herzog. »Euer Hoheit.« Dann musterte er einmal flüchtig Georgy und Louisa. »Ladys.« Anschließend wählte er ganz gezielt den Platz unmittelbar hinter Lu.
Um ihren Schock über das plötzliche Erscheinen von Abercorn zu überspielen, nahm Louisa erst einmal einen ordentlichen Schluck Champagner. Jedoch verschluckte sie sich dabei ziemlich ungeschickt und erlitt einen fürchterlichen Hustenanfall. Nicht gerade zimperlich klopfte Johnny ihr ein paarmal kräftig auf den Rücken, und als sie endlich wieder zu Atem kam, gingen auch schon die Lichter aus. Langsam hob sich der Vorhang wieder, und alle blickten wie gebannt auf die Bühne.
Immerhin, schimpfte Louisa derweil im Stillen, ist mir damit fürs Erste eine Unterhaltung mit James Hamilton erspart geblieben. Und sowieso! Ich werde auch sonst kein einziges Wort wechseln mit diesem irischen Halunken!
Energisch verbannte sie jeden Gedanken an Abercorn und ihre
Schwester aus ihrem Bewusstsein, obgleich ihr dies nicht so leichtfiel, denn die Szene, die sie unten am See von Woburn Abbey beobachtet hatte, hatte sich ihr geradezu unauslöschlich ins Gedächtnis gebrannt. Doch Lu gab sich alle Mühe, sich allein auf die Darbietungen des Chors zu konzentrieren, da dieser bereits in gesungener Form erklärte, was sich als Nächstes ereignen würde. Wäre da doch bloß nicht dieser lüsterne Kerl hinter ihr gewesen! Immer wieder musste Louisa ganz gegen ihren Willen daran denken, dass unmittelbar hinter ihr James Hamilton saß, und seine Nähe, seine ganze Ausstrahlung irritierten sie dermaßen, dass ihr Herz schließlich wie wild zu klopfen begann. Sie musste sich wirklich arg zusammenreißen, um überhaupt noch wahrzunehmen, was sich dort unten auf der Bühne gerade ereignete, wobei ihre Gedanken dann auch schon ziemlich bald abermals abschweiften. Sie stellte sich vor, wie Abercorn die Rolle des stolzen Banditen einnahm, und verlor schließlich vollends den Faden der Handlung. Frustriert und zugleich unsagbar wütend auf sich selbst, nahm Lu sich vor, an irgendeinem der nächsten Nachmittage noch einmal wiederzukommen. Dann wollte sie sich das Stück ein zweites Mal ansehen. Und zwar allein.
Als der letzte Vorhang fiel und auch der donnernde Applaus irgendwann verhallt war, lud die Herzogin von Bedford James Hamilton ein, mitzukommen zum Belgrave Square, um dort mit ihnen ein spätes Abendessen einzunehmen.
»Ich danke Euch vielmals, Euer Hoheit«, entgegnete James, »aber ich habe bereits eine Verabredung für diesen Abend.«
Erleichtert atmete Louisa einmal tief durch. Leider verschwand dieses Gefühl der Erleichterung jedoch ziemlich bald wieder, als sie nämlich aus den Augenwinkeln beobachtete, wie James Hamilton sich langsam einen Weg durch die Zuschauermenge hindurch bahnte und schließlich hinter der Bühne verschwand. Eine feine,
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