Symphonie des Lebens
Zärtlichkeit.
*
Das Konzert war ein Erfolg, wie immer. Die Vorstellung Donanis, Carolas und der beiden Ersten Konzertmeister vor der Königin war ein Triumph Carolas. Ihr herrliches weißes Duchesse-Abendkleid mit den wertvollen Spitzenbesätzen, ihr Halscollier, das Diadem in dem aufgesteckten, goldblonden Haar, ihre langen Ohrgehänge, ihr zartes, unwirklich schönes Gesicht mit den großen, sprechenden Augen beeindruckten die königliche Familie. Man sah es an den Blicken der Damen, die mehr aussprachen als die konventionellen Worte. Auch Pietro Bombalo fiel auf … er war der Mann, der am meisten und am auffallendsten schwitzte. Als die Königin ihm die Hand hinhielt und ihn begrüßte, schnaufte er wie ein Walroß, stotterte ein paar unverständliche Worte und war auf die Frage, woher er stamme, nur fähig, zu stammeln: »Aus Sizilien, Majestät.« Sein italienisches Temperament transpirierte weg … hinterher ärgerte er sich maßlos, beschimpfte sich selbst im Spiegel und war zu Morden bereit, wenn jemand neckend zu ihm sagte: »Wie ist das Pietro … gekrönte Häupter können sich dir nur im Badeanzug nähern, stimmt das? Die Königin soll ja vor dir nasse Füße bekommen haben –«
Für Carola war mit der Vorstellung vor der Königin der Abend zu Ende. Bernd Donani wurde beschlagnahmt von einem Schwarm von Lords, die ihn in einen der feudalen Londoner Clubs entführten, wo seit Jahrhunderten die Anwesenheit eines weiblichen Wesens als völlig unmöglich galt. Auch heute wurde dieses Tabu nicht durchbrochen … Donani wurde von Carola getrennt, um die sich die Ladys kümmerten, die es nicht anders kannten. Mit dem letzten Rest von Haltung schlug Carola die Einladungen zum Tee in einem Damenclub aus und fuhr zurück zum Hotel.
Dort warf sie das Abendkleid in die Ecke, schleuderte den Schmuck auf das Bett und weinte vor Wut und Enttäuschung. Ihre Erregung wurde maßlos, als sie auf dem Nachttisch ein großes Glas Milch stehen sah … sie ergriff es, trug es in das Badezimmer und schüttete es aus. Dann erst schleuderte sie es auf die Fliesen und freute sich über den splitternden Knall.
Schluß! Schluß! Schluß! schrie es in ihr. Ich kann nicht mehr … ich kann nicht mehr –
Als sie aus dem Badezimmer zurückkam, stand Jean Leclerc im Zimmer. Carola blieb erstarrt stehen. Ihr Blick glitt zur Tür, sie war wieder verschlossen. Leclerc lächelte sein unschuldiges Jungenlächeln, seine schwarzen Haare schimmerten matt in der Deckenbeleuchtung.
»Was … was wollen Sie hier?« fragte Carola. Sie hörte selbst, wie tonlos ihre Stimme war. Leclerc sah sie groß an.
»Das fragst du noch?«
»Gehen Sie, bitte.«
»Ich habe dich vier Wochen lang nicht gesehen.«
»Hat Sie jemand bemerkt?«
»Natürlich. Ich habe mich beim Portier ordnungsgemäß gemeldet. Ich habe gesagt: Ich habe der gnädigen Frau etwas von Herrn Donani abzugeben. – Und ich bin als offizieller Besucher mit dem Lift nach oben gekommen.«
»Ich will Sie nicht mehr sehen! Gehen Sie!« Carola drehte sich um und ging mit steifen Beinen zum Balkon, als biete er Rettung vor der Anwesenheit Leclercs. Der Geiger senkte ein wenig den Kopf.
»Warum mußt du immer lügen, Chérie –«
»Wenn mein Mann jetzt zurückkommt –«
»Er kommt nicht vor 1 Uhr. In den englischen Clubs ist eine mitternächtliche Whisky-Runde der letzte Hochgenuß. Rauchiger Whisky am rauchenden Kamin … den großen Donani sehen wir vor einigen Stunden nicht wieder.«
»Ich habe vergessen!« sagte Carola laut.
»Ich nicht.« Leclerc kam langsam näher. »Wie könnte man dich vergessen? Man könnte die Sonne vermissen, wenn man weiß, daß es eine ewige Nacht mit dir geben kann.« Er blieb nahe vor ihr stehen und blickte zurück zur Tür des Badezimmers. »Du hast ein Glas zertrümmert?« Seine Stimme war wieder warm und weich. »Warum läßt man eine Frau wie dich allein …«
»Geh, ich bitte dich … geh …« Carola lehnte den Kopf gegen die Wand. »Damals war ich verrückt … weiter nichts.« Ihr Herz zuckte, als sie es sagte, und ihre Stimme zuckte mit. Sie hatte sie nicht mehr in der Gewalt. »Meine Kinder … ich muß mich um sie kümmern, und –«
Sie sprach nicht weiter. Leclerc hatte sie stumm an sich gezogen. Seine weiche Hand streichelte ihr zuckendes Gesicht, löste die aufgesteckten Haare und ließ sie über ihre Schulter fließen.
»Du bist so schön …«, sagte er leise. »Du kannst so glücklich sein … Unser Leben beginnt doch erst
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