Symphonie des Lebens
Gelegenheit, Carola wiederzusehen und zu sprechen. Erst als Donani der Presse vorgestellt wurde, schlich sich Leclerc an Carola heran und berührte mit den Fingerspitzen ihre nackte Schulter. Sie zuckte zusammen, aber sie drehte sich nicht um, um zu sehen, wer sie anfaßte. Sie wußte es ohnehin.
»Du bist verrückt!« zischte sie. »Geh weg, ehe dich jemand sieht …« Dabei sah sie hinüber zu dem Kreis der Journalisten, in dem Donani gefangen war und aus dem das laute Organ Bombalos klang.
»Ich muß dich sprechen, Chérie.«
»Nein!«
»Nach dem Konzert. Hinter dem Opernhaus. Wir fahren ein Stück aufs Land.«
»Nein.«
»Ich liebe dich, Chérie –«
»Geh endlich …«
»Wenn du nicht zusagst, küsse ich deinen wundervollen Nacken …«
»Ich komme ja.« Carola trat einen Schritt vor. Sie bemühte sich, ihre Erregung zu verbergen.
»Danke, Chérie.« Leclerc berührte wieder ihre nackte Schulter. Wie ein Hauch war es, wie ein ganz leises Kratzen. Carola schauderte zusammen und hob die Schultern in dem rückenfreien Abendkleid. Sie wartete, was Leclerc noch sagen würde, aber nichts erfolgte. Da drehte sie sich um. Hinter ihr war niemand mehr, nur die angelehnte Tür zur Bühne.
Donani winkte ihr zu und lachte. Auch der dicke Kopf Bombalos tauchte in dem Journalistenkreis auf. Jetzt komm' ich dran, dachte sie. Jetzt werde ich das gleiche erzählen wie seit acht Jahren. Die Memoiren einer glücklichen Frau …
Sie setzte ihr Lächeln auf, richtete sich stolz empor und ging in königlicher Haltung auf die Journalisten zu. Die Blitze der Kameras zuckten auf … das Aushängeschild eines berühmten Mannes wird fotografiert, dachte sie.
*
»Du mußt es möglich machen«, sagte Leclerc und streichelte ihren weißen Körper. Unter seinen Händen dehnte und reckte sie sich wie eine schnurrende Katze. Sie hatte die Augen geschlossen, lächelte entrückt und gab sich seinen Liebkosungen hin.
»Es geht nicht …«, antwortete sie leise.
»Du mußt es ihm einreden, Chérie …« Leclerc unterbrach seine Zärtlichkeit. Seine berufliche Zukunft war jetzt wichtiger. Carola öffnete die Augen, sie dehnte sich und legte ihren Kopf auf seine Brust.
»Er hat so etwas noch nie getan –«
»Weil du ihn noch nie darum gebeten hast.« Leclerc schob Carolas Kopf etwas abrupt von seiner Brust. Er fiel auf das zerwühlte Kissen, die blonden Haare wehten wie ein Schleier über ihre Augen. Sie strich sie weg und sah Leclerc aus großen, flimmernden Augen an.
»Komm –« Ihre Stimme war dunkel vor Sehnsucht.
Leclerc stützte sich auf und legte den Kopf in beide Hände. Er betrachtete Carola mit der Gleichgültigkeit eines Mannes, der das Erreichbare bekommen hatte. Ihre Stimme, ihre Augen, ihr innerlich bebender Körper erreichten ihn nicht mehr als bis zur bloßen Wahrnehmung. Er hatte jetzt ein anderes Ziel, und was bisher gewesen war, betrachtete er nur als einen Schlüssel, der die Türen zu der erträumten anderen Welt für ihn aufschloß.
»Du allein hast die Möglichkeit, ihn dazu zu bringen. Er liebt dich und wird daher –«
»Schweig davon –«, sagte sie lauter. Aber sie war so voll Sehnsucht, daß es nicht heftig klingen konnte.
»Nein!« Leclercs Gesicht verzog sich wie das eines trotzigen Jungen. »Du überblickst nicht die Lage, Chérie. Wenn Donani mich bei sich vorspielen läßt und ich bestehe diese Prüfung – und ich werde sie sicher bestehen –, wenn er dann mit mir ein Solistenkonzert macht, bin ich ein bekannter Mann. Dann brauchen wir ihn nicht mehr, dann habe ich meinen eigenen Manager, dann verdiene ich genug Geld, um uns zu ernähren. Dann können wir in die Welt ziehen und unser Glück suchen. Dann gibt es nur noch uns zwei … Begreifst du das denn nicht? Es geht allein um uns. Du bittest ihn um uns.«
»Ich verstehe alles …« Sie griff nach seinen Haaren und zog seinen Kopf wieder auf ihre Brust. »Küß mich … schnell –«
»Du wirst ihn fragen?«
»Ja … ja …«
»Morgen schon?«
»Morgen …«
Leclerc lächelte. Er küßte Carolas offene Lippen und schielte dabei auf die Uhr.
Noch eine Stunde –
*
Bernd Donani saß selbst am Flügel und sah Jean Leclerc etwas gelangweilt entgegen. Der riesige Konzertsaal wirkte in seiner Leere und Kahlheit bedrückend und feindlich. Leclerc hatte es noch nie so empfunden … bei den Proben waren immerhin fünfzig andere Musiker auf dem Podium, man war ein Teil der Masse. Jetzt aber stand er allein mit dem großen Donani in dem
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