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Symphonie des Lebens

Symphonie des Lebens

Titel: Symphonie des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zuletzt hatte man sie in Begleitung eines unbekannten jungen Mannes beim Verlassen eines Kinos auf der Reeperbahn gesehen. Seitdem fehlte jede Spur von ihr.
    Niemand kam auf den Gedanken, die Tote auf der Wannseestraße in Berlin mit Julia Saboldt in Verbindung zu bringen. Die Tote in den Autotrümmern war einwandfrei als Carola Donani identifiziert worden. Ihr gesamter Schmuck war erhalten geblieben … es gab überhaupt keine Zweifel.
    Der Fall Julia Saboldt blieb für immer ein unerledigter Fall.
    Ein Mensch war verschwunden … wen kümmerte das schon außer den Hinterbliebenen?
    Und der dünne Schnellhefter im Aktenschrank verstaubte …
    *
    Nach einigen Tagen Ruhe, die Pietro Bombalo großzügig seinem Maestro gönnte, wurde der Impresario unruhig und lief vor Donani im Garten herum, deutlich eine Mappe unter dem Arm tragend, auf der in roter, leuchtender Schrift ›Termine‹ zu lesen war. Donani konnte es nicht übersehen … aber er tat so, als sehe er es nicht, und starrte über das blinkende Wasser des Sees.
    Seit dem Begräbnis hatte er kaum ein Wort gesprochen. Er spielte mit den Kindern wie ein Automat, fing Bälle, schlug Purzelbäume, rollte Boccia-Kugeln und baute Burgen im Sand. Am Abend aber saß er auf der Terrasse, starrte ins Leere, ein alter, gebrochener Mann, der nicht mehr weiß, wozu er lebt. Bertha Portz war wieder abgereist. Sie flüchtete vor einem Schuldgefühl und vergrub sich in Berlin in ihren Zimmern, sich immer wieder fragend, ob es wirklich ein Unglücksfall gewesen war oder ob Carola einen Augenblick die Nerven verloren hatte und den Wagen bewußt gegen den Baum steuerte. Wenn es so gewesen war, hatte sie ihre Tochter an diesem Tage der letzten Aussprache nicht richtig erkannt, ein Vorwurf, den eine Mutter nie mehr abgelten konnte.
    »Sie müssen wieder arbeiten –«, sagte Bombalo endlich, als Donani auf keine stillen Hinweise reagierte.
    »Ich will nicht«, antwortete Donani müde.
    »Nicht sofort … aber in zwei Wochen vielleicht …«
    »Überhaupt nicht mehr, Pietro.«
    »Was soll das heißen?« Bombalo drückte seine Terminmappe wie einen Schild an sich.
    »Ich fasse keinen Dirigentenstab mehr an!«
    »Aber das ist doch unmöglich, Maestro!«
    »Ich habe Geld genug … ich will den Rest meines Lebens in Ruhe leben.«
    »Den Rest seines Lebens! Mit achtundvierzig Jahren spricht er vom Rest seines Lebens!« schrie Bombalo. Er warf die Mappe auf die Wiese und vollführte seine berühmte Schaunummer. Er raufte sich die Haare ins Gesicht und verdrehte die Augen. »Ich bekomme einen Herzschlag!« keuchte er.
    »Dann hätte ich endlich vollkommene Ruhe«, sagte Donani mitleidlos. »Ein für allemal: Ich dirigiere nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Begreifst du das denn nicht? Ich bin tot.«
    »Weil Ihnen die Musik fehlt!« schrie Bombalo. »Maestro, kein Schmerz ist so groß, als daß die Musik ihn nicht heilen könnte. Es gibt keinen anderen Balsam als die Musik. Mozart, Maestro! Chopin! Die Eroika von Beethoven. Die Fünfte. Die Unvollendete von Schubert … Die Welt ist so herrlich, wenn sie voll Musik ist! Sie sind tot, weil Sie vor der Musik fliehen –«
    »Laß mich!« Donani wandte sich ab und ließ Bombalo stehen. Er ging zur Brüstung und lehnte die Stirn gegen die großen Steinvasen. Carola, dachte er. Nun habe ich Zeit … nun, wo es zu spät ist.
    Er schrak zusammen. Hinter ihm klang ein Orchester auf. Die ersten Takte von Brahms Akademischer Festouvertüre. Donani fuhr herum. Auf der Terrasse stand Bombalo neben einem Plattenspieler.
    »Es dirigiert Bernd Donani!« schrie er.
    »Ruhe!« brüllte Donani und hielt sich die Ohren zu. »Ruhe! Oder ich zerschlage alles! Alles!«
    Er sah, wie sich die schwarze Plattenscheibe drehte, und obgleich er sich die Ohren zuhielt und die Handballen fest gegen die Muscheln preßte, hörte er innerlich jeden Ton. Jetzt setzen die Oboen ein … jetzt die Trompeten … warum sind die Celli so weit weg … und jetzt das Gaudeamus igitur … Festliche Fröhlichkeit, meine Herren!, hatte er bei der letzten Probe gerufen. Denken Sie, Sie seien wieder Studenten! Das muß jubeln, das muß in die Herzen fließen wie Wein!
    Donani ließ die Hände von den Ohren sinken. Die Musik umbrauste ihn, er schloß die Augen und senkte den Kopf. Dann hob er die Hand und winkte … Bombalo drehte den Ton leiser.
    »Maestro –?«
    »Wann fahren wir?«
    »In genau zwei Wochen –«
    »Und was?«
    »Tschaikowskij und Prokofieff. Als Einleitung die

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