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Symphonie des Lebens

Symphonie des Lebens

Titel: Symphonie des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Camargue einen Hengst. »Was wollen Sie vorspielen, junger Paganini?«
    Leclerc atmete tief auf. Die Art, wie man ihn hier empfing, war noch arroganter und deprimierender als das professorale Wohlwollen, das Bernd Donani an den Tag gelegt hatte. Hier war nichts mehr von Interesse zu spüren … es schien, als leiste sich François Parthou für diesen Tag einen Hofnarren, weil er so guter Laune war.
    »Beethoven –«, sagte Leclerc kurz. Parthou hob die Augen gegen die gestuckte Decke.
    »Was haben Sie noch?«
    »Paganini … Sarasate … Bartók … Bach …«
    »Junger Mann –« Parthou schnaufte hell durch die Nase. »Sind Sie größenwahnsinnig? Mir scheint, Ihnen schwebt vor, ein zweiter Menuhin oder Ricci zu werden …«
    »Allerdings –«, sagte Leclerc leise.
    »Allerdings! Man höre sich das an! Da kommt jemand aus der Dunkelheit, mit einer Fiedel unterm Arm, und sagt: Werft den alten Oistrach weg – jetzt kommt Leclerc! Ich mache klimm-klimm, und die Welt wird fassungslos sein.«
    »Sie haben mich noch nicht angehört, Monsieur Parthou.« Leclerc umklammerte seine Geige. Er spürte, wie seine Handflächen wieder schweißig wurden und wagte nicht, sie an den Hosen abzureiben, wie er es vor Donani getan hatte. Sie sind alle gleich, dachte er. Arrogant und erbarmungslos. Warum sind sie bloß so? Warum führen sie uns junge Künstler nicht den richtigen Weg? Warum müssen sie immer vor uns Gebirge auftürmen, deren Gipfel wir nie erreichen werden? Wie wird man denn berühmt, wenn sie alle schon vorher sagen: Du bist ein Stümper!
    »Darf ich spielen?« fragte Leclerc mit belegter Stimme. Parthou nickte.
    »Und was, bitte?«
    »Den Walzer ›Wiener Blut‹ …«
    »Wie bitte?«
    »Wiener Blut!« Parthou hob wie dirigierend beide Hände. »Junger Freund, das kennen Sie doch. Wiiiiener Blut … Wiiiiener Blut –«
    »Ich wollte klassisch spielen, Monsieur –«
    »Klassisch.« Parthou ließ seine Hände sinken. »Jean Leclerc … wenn ich Ihnen meine Kartei zeige, werden Sie lesen, daß gegenwärtig allein bei mir 48 klassische Geiger auf ein Engagement warten. Was ich dringend brauche, ist ein Kaffeehausgeiger. In der Bar des ›Océan‹ in San Remo. Wollen Sie, oder wollen Sie nicht? Im ›Océan‹ verkehren die stinkreichen Nichtstuer. Und Frauen, mein Lieber, Frauen! So wie Sie aussehen, werden Sie auf Ihr Gehalt als Geiger nicht angewiesen sein –« Parthou drückte das Kinn an den Kragen. »Wo haben Sie bisher gespielt?«
    »Im Pariser Philharmonischen Orchester –«
    »Unter Donani?«
    »Ja.«
    »Und da sind Sie weg?«
    »Ich wollte Solist werden –«
    »Sie Wahnsinniger! Verläßt einen Donani! Leclerc, bei Ihnen ist eine Schraube locker!« Parthou hob wieder beide Hände. »Bitte, reden Sie nicht weiter. Setzen Sie Ihre Fiedel auch nicht ans Kinn. Ich will nichts mehr hören. Wer einen Donani verläßt, ohne Grund, nur weil er glaubt, er sei ein Genie … Leclerc … die psychiatrische Klinik ist Tag und Nacht für Neuzugänge geöffnet –«
    Wortlos verließ Jean Leclerc den großen Agenten Parthou. Wieder – wie damals bei Donani – hatte er große Lust, seine Geige gegen die Wand zu schleudern und seine Wut in die Welt hinauszubrüllen. Aber nach der ersten Aufwallung sah er die Sinnlosigkeit ein … er packte die Geige in den Kasten und verließ das erste Haus seiner Hoffnung.
    Im Hotel ›Atlantic‹ schrieb er an Carola einen langen Brief. »Du wirst jetzt einige Tage nichts mehr von mir hören, Chérie …«, schrieb er am Ende … »denn ich habe eine große Überraschung vor, die ich Dir überreichen werde, wenn Du wieder aus der Klinik entlassen wirst und ich die Frau abhole, die mir von da ab ganz allein gehören wird. Glaub mir, daß ich die Tage, ja die Stunden zähle und daß ich abends allein im Zimmer sitze und meine Sehnsucht meiner Geige anvertraue – Ängstige Dich nicht, Liebste … ich bin ausgezogen, unsere Zukunft zu erobern –«
    Er las den Brief noch einmal durch, fand ihn gelungen und wußte, daß Carola ihm glauben würde. Dann bezahlte er seine Rechnung, ließ das große Gepäck im Hotel zur Aufbewahrung und reiste ab – nur mit seinem Krokodillederkoffer und seiner Geige.
    Er fuhr zuerst nach Paris.
    In Paris hatte man keine Zeit für ihn. Erst in vier Wochen.
    Brüssel. Die Agentur bedauerte. Alles besetzt.
    Den Haag. Besetzt. Amsterdam. Kein Interesse. Rotterdam. Nur Tanzmusik.
    Er flog nach Süden. Nach Mailand. Dort hörte man ihn an, nickte beifällig

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