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Symphonie des Lebens

Symphonie des Lebens

Titel: Symphonie des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Donani.
    Das Konzert, zu dem sich die königliche Familie angesagt hatte, weigerte sich Donani zu dirigieren. Die Schuld traf allein Pietro Bombalo, und da er das wußte, waren sein Jammern und sein Geschrei besonders laut und anhaltend.
    Begonnen hatte es damit, daß Donani Erschöpfungserscheinungen zeigte. Die drei letzten Konzerte in Kopenhagen, Göteborg und Oslo hatte er nur mit Mühe durchgestanden. Es war keine körperliche Erschöpfung, sondern, was viel schwerer wog, eine psychische Schwäche, die über ihn kam. Plötzlich starrte er seine entsetzten Musiker an, statt zu dirigieren, kam aus dem Takt und verzichtete darauf, mit dem Herausholen einzelner Stimmen seine berühmten Tongemälde zu errichten … er stand einfach da, mit fast unbeweglichen Händen, starrte ins Leere und schien weder das Orchester zu sehen noch die Sinfonie zu hören. Er war einfach nicht mehr gegenwärtig.
    »Der Fall ist ganz klar«, sagte Pietro Bombalo laut zu sich selbst, als er dieses Problem reiflich durchdacht hatte. »Alles klingt für ihn wie ein Trauermarsch. Er denkt zuviel. Vor allem denkt er zuviel an Carola. Das muß aufhören. Es wird unsere Aufgabe sein, ihn aufzuheitern –«
    Für Bombalo war die Aufheiterung (genau wie das Wort) weiblichen Geschlechts. In Stockholm ließ er seinen Versuchsballon steigen. Unter einer Auswahl hinter verschlossenen Türen gehandelter blonder Schönheiten wählte er ein Mädchen aus, von dem er annahm, daß es Bernd Donani aus weiteren quälenden Erinnerungen reißen könnte.
    »Du bist einfach da, mein Kind«, sagte er zu der blonden Schönheit. »Du gehörst einfach dazu, verstehst du? Und merke dir eins: Donani ist schüchtern. Man soll es nicht glauben, wenn man ihn so auf der Bühne stehen sieht … aber vor Frauen hat er einen Minderwertigkeitskomplex. Er wird dich von sich aus nie in die Arme nehmen … da mußt du schon nachhelfen.« Bombalo warf einen Blick auf die Figur des Mädchens und seufzte tief. »Man müßte Dirigent sein«, sagte er klagend. »Ich kann mich auf dich verlassen?«
    »Das können Sie«, antwortete das Mädchen. Es hatte 500 Kronen Anzahlung bekommen.
    Zwei Stunden später merkte Bombalo, daß man nicht alles managen kann und daß er die Grenze seiner Fürsorge weit überschritten hatte. Das Telefon schellte in seinem Zimmer, und als er abhob, hörte er nur:
    »Kommen!«
    Bombalo warf den Hörer zurück, als wäre er glühendheiß. Dann machte er sich langsam auf den Weg, fuhr mit dem Fahrstuhl dreimal hinauf und hinunter und sagte sich, daß man dem ersten Wutausbruch aus dem Weg gehen soll, ganz gleich mit welchen Mitteln.
    Im Zimmer erwartete ihn Bernd Donani am Fenster stehend und hinaus auf das herrliche Panorama Stockholms starrend. Das blonde Mädchen war nicht mehr anwesend, nur ein zerknautschtes Bett bewies, daß es die überzeugendsten Machtmittel einer Frau angewandt und dennoch die Schlacht verloren hatte.
    »Maestro –«, sagte Bombalo geknickt. Mehr nicht. Donani drehte sich um. In Bombalo quoll das Gefühl auf, als sei ein Magengeschwür geplatzt.
    »Ich nehme an, daß Sie selbst wissen, was ab sofort zu geschehen hat«, sagte Donani in einem Ton, der kalt wie ein Eisblock war. Bombalo strich sich über den Kopf – ihm war es, als läge der Block auf seinem Gehirn.
    »Maestro –«, stotterte er.
    »Das Konzert heute abend sage ich ab.«
    »Nein!« schrie Bombalo. »Die königliche Familie kommt –«
    »Das ist mir wurscht! Sie können ja dirigieren …«
    »Das ist unser Ruin!« Bombalo kam auf Donani zu. Er breitete die Arme aus und hielt den Kopf vor. »Maestro, hauen Sie mir eine 'runter!« stotterte er. »Zerfleischen Sie mich, erwürgen Sie mich, tun Sie alles an mir, was Sie wollen … nur dirigieren Sie heute abend.«
    »Nein.« Donani griff zu und zog Bombalo an den Rockaufschlägen nahe zu sich heran. »Mir eine Hure ins Bett zu legen … sind wir jetzt so weit? Du Schwein –«
    »Ich wollte Sie aufheitern, Maestro –«
    »Halt den Mund!« schrie Donani plötzlich. »Als was betrachtest du mich denn? Als deine Marionette? Jahrelang war ich blind, jahrelang habe ich geglaubt, alles geschähe nur darum, die Kunst zu verkaufen, weil sie sonst betteln ginge. Aber heute, heute weiß ich endlich, als was du mich ansiehst … als einen Hanswurst, als eine Kreatur aus der Retorte Bombalos. Ein Homunkulus der Musik bin ich, weiter nichts! Und ich habe Ideale gehabt … mein Gott, ich Schaf hatte einmal Ideale! Dreck ist das alles,

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