Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Symphonie des Lebens

Symphonie des Lebens

Titel: Symphonie des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Leclerc nach Cannes. Dort kleidete er sich ein, mietete sich einen Wagen und fuhr nach Monte Carlo. Im Hotel ›Splendid‹ stieg er ab, wünschte nicht gestört zu werden und legte sich in seinem Zimmer, mit Blick über das Meer und das Fürstenschloß, ins Bett und schlief sich erst einmal aus. Er erwachte am späten Nachmittag, ließ sich Toast mit Schinken und Ei und einer halben Flasche Pommery aufs Zimmer bringen und zählte dann noch einmal sein übriggebliebenes Geld.
    900 Francs.
    Jean Leclerc spürte ein unangenehmes Kribbeln unter der Kopfhaut. Mit 900 Francs ist man in Monte Carlo ein armseliger Bettler. Jeder Straßenkehrer, jeder Netzflicker am Hafen war ein König gegen ihn. Aber er besaß jetzt einen Smoking, der wie über seinen Körper gegossen aussah, er hatte ein Hemd mit einem diskreten Spitzenbesatz auf der Brust, die Lackschuhe waren beste italienische Arbeit.

Einen Augenblick dachte er an Carola, aber wirklich nur ein Wimpernzucken lang. Ich hätte noch mehr aus ihr herausholen sollen, hieß dieser Gedanke. Es ging alles so schnell. Ich habe mich überfahren lassen.
    Er trat ans Fenster und sah hinab auf Monte Carlo, auf die von Scheinwerfern angestrahlten Türme des Fürstenschlosses, auf die glitzernden Fensterwände der Hochhäuser und die bunten Lämpchen der vielen Schiffe. Abrupt wandte er sich ab. Ich habe keine Zeit zum Träumen, sagte er sich. Ich habe 900 Francs in der Tasche – nun gilt es, das Kapital meiner Jugend umzuwechseln.
    Durch das Zimmertelefon bestellte er ein Taxi, zog seinen eleganten Abendmantel an, gab dem Liftboy großzügig zwei Francs und ließ sich zum Spielcasino fahren.
    Es war das erste Mal, daß er ein Casino betrat, aber er tat es mit einer Sicherheit und Nonchalance, als sei er in den prunkvollen Räumen aufgewachsen. Da er nichts von den Spielregeln verstand, wanderte er durch die einzelnen Säle, sah dem Roulette zu, dem Bakkarat und den Croupiers, wechselte zweihundert Francs in Chips um und setzte sich auf einen freiwerdenden Platz an ein Roulette. Nur um nicht aufzufallen, schob er einen 50-Francs-Chip auf eine schwarze Nummer und schaute auf die Hände der anderen, die nervös mit Geldscheinen und Chipstürmchen spielten.
    Er gewann. Verwundert sah er auf das Häufchen Scheine, das der Croupierrechen zu ihm hinschob. Er setzte noch einmal, diesmal 100 Francs, und wieder gewann er, ohne zu wissen, wie das möglich war. Glücklich wie ein Kind schichtete er die Chips auf, klopfte die Scheine zusammen und überlegte, ob er das Glück zum dritten Mal herausfordern sollte. Er zuckte etwas zusammen, als hinter ihm eine weibliche Stimme fragte: »Sorry, spielen Sie weiter, oder kann ich Platz nehmen?« und drehte sich schnell herum.
    Hinter seinem Stuhl stand eine hochgewachsene, langbeinige, faszinierende Dame. Ihre rotblond gefärbten Haare hatte sie zu einem Turban aufgesteckt, dessen Gipfel ein schmales, goldenes, mit Brillanten und Rubinen besetztes Diadem krönte. Ihr weißes, mit roten Perlen besticktes Abendkleid umschloß eng wie ein Futteral einen betörend gewachsenen Körper.
    Jean Leclerc lächelte nach der ersten atemlosen Verblüffung freundlich, jungenhaft wie immer … es war das berühmte Lächeln, das im Herzen einer Frau widerklang wie ein Glockenton.
    »Bitte –«, sagte er und sprang sofort auf, schob den samtbezogenen Stuhl der Dame zurecht und verbeugte sich bewußt linkisch. »Leclerc. Jean Leclerc, Madame –«
    »Oh!« Sie sah ihn aus wasserblauen Augen interessiert an und setzte sich an den Roulettetisch auf Jeans Platz. »Ich bin Doris Kinley. Ich komme aus Chikago.« Das Französisch Mrs. Kinleys war etwas schwerfällig und breit, ein Schulfranzösisch mit der Akzentuierung des Amerikanischen.
    »Chikago!« Jean trat hinter den Stuhl Mrs. Kinleys und legte wie unbeabsichtigt seine Hände neben ihren nackten Schultern auf die Lehne des Stuhles. Er berührte sie nicht, aber seine Hände lagen so nahe, so millimeterfern von ihr, daß es wie eine Berührung wirkte. Sein Blick glitt über ihr Diadem und den Körper hinab. Mitte Dreißig, dachte Jean. An der Hand trägt sie keinen Ehering. Nur Brillanten von der Größe, wie man sie sonst als Seltenheiten in den Illustrierten vorgestellt bekommt. »Chikago muß herrlich sein«, sagte er, um die Stille seiner Musterung nicht zu deutlich werden zu lassen. Dabei sah er Doris Kinley verträumt an, als sie sich zu ihm umdrehte. Hier sitzt das neue Glück, dachte er gleichzeitig. Hier ist

Weitere Kostenlose Bücher