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Symphonie des Lebens

Symphonie des Lebens

Titel: Symphonie des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Annes erschien in dem Spalt. Etwas ängstlich musterte sie die wartende Person. »Eine Verrückte steht draußen«, hatte der Nachtwächter gesagt, als er sie weckte. »Ich hole schnell meinen Knüppel. Soll ich schon die Polizei anrufen?«
    »Guten Morgen, Schwester Anne«, sagte Carola und hob ihr Gesicht in das fahle Morgenlicht. »Kennen Sie mich noch?«
    Schwester Anne stieß die Tür auf. »Madame –« stotterte sie. »Ihren Namen – Verzeihung – aber ich weiß nicht mehr –«
    »Bei Ihnen hieß ich Magda Burger. Aus Gießen.«
    »Ach ja. Bitte –«
    Carola stand in der großen Treppenhalle und fror. Hier habe ich mein Gesicht verloren, dachte sie. Hier will ich es mir wiederholen.
    »Sie wundern sich, Schwester Anne? Ich weiß, daß Dr. Lombard erst ab 10 Uhr zu sprechen ist – aber ich bin mit dem Nachtzug aus Paris gekommen und wollte nicht erst für die paar Stunden woanders hin. Bitte, verzeihen Sie. Ich möchte wieder bei Ihnen aufgenommen werden.«
    »Ist etwas geschehen?« Schwester Anne musterte schnell das Gesicht Carolas. Sie entdeckte keinerlei Veränderungen. Die Haut war glatt, faltenlos, narbenfrei. »Ist noch etwas zu korrigieren?«
    »Kann ich Dr. Lombard um 10 Uhr sprechen?«
    »Ich will es versuchen, Madame. Sie wissen doch … sein Terminkalender. Der Chef hat heute morgen zehn Damen zu einer Untersuchung bestellt.«
    Carola drehte nervös an den Knöpfen ihres Mantels. »Bitten Sie ihn, eine Ausnahme zu machen. Es ist dringend … wirklich dringend –« Plötzlich schwankte sie, griff um sich, suchte Halt und klammerte sich an Schwester Anne fest, die sie auffing.
    »Um Gottes willen, Madame, was haben Sie denn? Sie werden ja ganz weiß.« Schwester Anne winkte dem abseits stehenden Nachtwächter. Gemeinsam stützten sie Carola und brachten sie in ein leerstehendes Zimmer. Halb bewußtlos, aber glücklich, am Ziel zu sein, ließ sich Carola auf das Bett fallen. Schwester Anne öffnete ihr Mantel und Kleid und kontrollierte den Puls. Er war weich und kaum tastbar.
    Carola versuchte ein Lächeln und hielt die Hand Schwester Annes fest. »Sie brauchen keine Angst zu haben«, sagte sie mit schwerer Zunge. »Es ist nur eine vorübergehende Schwäche. Es ist Hunger –«
    »Hunger?« wiederholte Schwester Anne entsetzt. »Aber Madame – ich hole sofort etwas zu essen und koche einen starken Kaffee –«
    »Nein. Bitte nicht. Vielleicht nachher … wenn ich mit Dr. Lombard gesprochen habe.« Sie schloß die Augen und fühlte, wie sie in die Leichtheit einer Ohnmacht wegschwamm. »Bitte, vielleicht Kaffee –«, sagte sie noch. Dann lächelte sie, weil alles so unbedeutend wurde, so wundervoll gleichgültig.
    Als sie erwachte, saß Dr. Lombard neben ihr und zog gerade eine Injektionsnadel aus ihrer linken Armvene. Zuerst erkannte sie ihn nicht. Sie hatte den gepflegten, immer korrekt gekleideten Arzt in Erinnerung … nun saß Dr. Lombard an ihrem Bett in Hose und Schlafanzugjacke, flüchtig gekämmt und vor allem mit einem stoppeligen, unrasierten Gesicht.
    »Sie machen ja Geschichten, Madame«, sagte er, als er merkte, daß Carola ihre Umwelt wieder wahrnahm. »Sie haben mir einen gewaltigen Schrecken eingejagt.«
    »Doktor –«, Carola wollte sich aufrichten, aber Dr. Lombard drückte sie in das Kissen zurück.
    »Ganz ruhig liegenbleiben, Madame. Und nicht aufregen. Wir haben Zeit –«
    »Nein.«
    »Nicht?«
    »Ich habe keine Zeit mehr, Doktor. Darum bin ich gekommen.« Carola griff nach der Hand Dr. Lombards und klammerte sich an sie fest. »Sie … Sie müssen mir mein altes Gesicht wiedergeben –«
    Dr. Lombard war nicht erstaunt, er hob nicht einmal die Brauen. Er stand auf und legte die Spritze auf ein Tablett. »Das habe ich erwartet«, sagte er hart. Carola sprang auf. Sie taumelte noch etwas, aber die Stärkungsspritze zeigte bereits ihre Wirkung auf den Kreislauf. Sie hielt sich am Kopfteil des Bettes fest und zwang sich, Dr. Lombard mit der Kraft einer Frau, die weiß, was sie will, anzusehen.
    »Sie haben darauf gewartet?«
    »Ja. Nur – das gebe ich zu – ist es schneller eingetroffen, als ich geglaubt habe. Ich hatte mit einem Jahr gerechnet, höchstens mit zwei …«
    »Sie sind grausam, Doktor.«
    »Ich werde noch grausamer sein müssen.« Dr. Lombard sah an Carola vorbei aus dem Fenster. »Ich kann Ihnen Ihr altes Gesicht nicht wiedergeben –«
    »Das ist nicht wahr!« Carola spürte, wie ihre Beine wieder einknickten. Es ist nicht wahr, sagte sie sich immer

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