Symphonie des Lebens
wieder vor. Es ist nicht wahr – nicht wahr – nicht wahr – Er will nur mehr Geld, das ist alles. Er macht es spannend, um nachher um so mehr herauszuholen. Er soll alles haben, mein ganzes Geld, meinen Schmuck … nur mein Gesicht, das Gesicht der Carola Donani, soll er mir wiedergeben.
»Es ist die Wahrheit, Madame«, sagte Dr. Lombard fest. »Ich habe es Ihnen damals klar genug gesagt: Es gibt nach dieser Operation kein Zurück mehr. Sie ist endgültig.«
»Das … das glaube ich Ihnen nicht, Doktor.« Carola riß ihre Handtasche an sich, die neben dem Bett auf einem Stuhl lag. »Ich gebe Ihnen 25.000 Francs.«
»Warum nicht 25 Millionen?« Dr. Lombard lachte hart. »Verzeihen Sie, wenn ich lache, Madame … aber dieses Lachen ist eine Art Verzweiflung. Es geht nicht.«
Carola sank auf das Bett zurück. Es gibt kein Unmöglich, dachte sie. Mein Gott, schenk ihm einen Gedanken, gib ihm Mut, es doch zu wagen. Ich muß mein Gesicht wiederhaben.
»Sie wollen nicht, Doktor!« rief sie. Lombard nickte.
»Das auch, Madame. Ich werde mich nie dazu hinreißen lassen, medizinische Grenzen zu überschreiten.«
»Sie werden es wagen, wenn ich Ihnen erzähle, warum ich meine Zurückverwandlung will.«
»Ich brauche Ihre Erzählungen nicht, Madame.« Dr. Lombard trat an das Fenster und sah in den Garten. Der Gärtner hatte seine Morgenarbeit begonnen, er kehrte die Wege und harkte sie. »Ihr Geliebter hat Sie verlassen. Das war mir klar, als ich ihn sah. Ein Gigolo, weiter nichts. Daß eine Frau wie Sie auf einen solchen Typ hereinfällt, wird zu den Rätseln gehören, die wir Männer weder lösen noch verstehen können. Ich versichere, Madame, daß ich auch für 100.000 Francs eine Gesichtsumwandlung abgelehnt hätte, wenn ich diesen faden Jüngling vor der Operation gesehen hätte. Sie wären mir zu schade gewesen. Aber als ich ihn dann sah, wie er Sie abholte, da wußte ich, daß ich Sie eines Tages wieder hier sprechen würde. Nicht so, wie jetzt, sondern zerrissen und enttäuscht, ausgeplündert und arm. Das einzige, was mich erstaunt, ist die Tatsache, daß Sie noch im Besitz Ihrer Geldmittel sind.«
»Sie werden eine andere Meinung bekommen, wenn Sie meine Beichte anhören, Doktor.« Carola blickte auf ihre zitternden Hände. »Ich heiße nicht Magda Burger aus Gießen.«
»Das wußte ich schon vor der Operation«, sagte Dr. Lombard. »In Ihrem Paß – ich erlaubte mir, ihn während Ihrer Ohnmacht einzusehen – steht Vera Friedburg. Aber er stimmt nicht. Er ist ausgestellt vor fünf Jahren, aber das Paßbild zeigt Ihr neues Gesicht.«
Carola nickte. Ich werde ihm alles sagen müssen, dachte sie.
»Wer sind Sie wirklich?« fragte Dr. Lombard.
»Carola Donani –«
Dr. Lombard bemühte sich um Haltung. Wie gewaltig der Schock war, zeigte sich nun an dem Heben seiner Schultern. Donani, dachte er. Natürlich. Jetzt fällt es mir ein, jetzt weiß ich auch, wo ich das Gesicht schon einmal gesehen hatte. In der Illustrierten … und später, nach dem Konzert Donanis, im Festsaal der Stadt, als der Bürgermeister einen Ball zu Ehren der Pariser Philharmoniker gab. Ich habe sogar mit ihr getanzt, mit der strahlend schönen, blonden Carola Donani.
»Das ist ja furchtbar –«, sagte er leise. In seiner Stimme schwang ehrliche Erschütterung.
»Begreifen Sie jetzt, daß ich mein Gesicht wiederhaben muß?« fragte Carola.
»Sie gelten als vermißt, Madame?«
»Nein, ich bin tot.«
»Tot?« Dr. Lombard fuhr wie gestochen herum. »Wie soll ich das verstehen?«
»Ich bin verbrannt. In dem Wrack meines verunglückten Autos. Ich liege in Starnberg begraben.«
Dr. Lombard strich sich mit bebenden Händen über die Augen. Entsetzen kroch in ihm hoch. »Wer … wer ist die wirkliche Tote?«
»Ich kenne sie nicht. Wir fanden sie in Berlin im Straßengraben. Eine Ermordete. Sie sah mir so ähnlich … die Figur, die blonden Haare … da setzten wir sie in meinen Wagen.«
»Wir – das waren Sie und dieser Gigolo.«
»Ja. Jean Leclerc, ein Geiger im Orchester Donanis.«
Dr. Lombard schwieg. Sein Kopf war nach vorn gesunken, die Finger, die er auf den Rücken gelegt hatte, verkrampften sich ineinander.
»Ich bin ein großer Verehrer Ihres Gatten, Madame«, sagte er heiser vor Erregung. »Ich habe sogar eine Donani-Plattensammlung …«
»Dann helfen Sie mir, Doktor!« schrie Carola und streckte die Arme nach ihm aus. »Bitte, helfen Sie mir … Ich will den furchtbarsten Fehler meines Lebens korrigieren, aber
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